Der Mönch und die Jüdin
wusste es einfach nicht und hatte fast das Gefühl, dass der Erzbischof es auf eine boshafte Weise genoss, ihn zu verwirren und in Verlegenheit zu bringen.
Anselm kam Konrad zu Hilfe. »Nun, das liegt ja jetzt zum Glück hinter ihm. Ich bin sicher, dass Konrad sich hier in Köln bewähren wird.« Er warf Konrad einen Blick zu, der wohl besagen sollte: Lass mich nur machen.
War es also bereits beschlossene Sache, dass Konrad gar nicht ins Kloster zurückkehren sollte? Aber, wenn das so war, warum hatte Anselm dann nie offen mit ihm darüber gesprochen? Er hatte ja stets nur vage Andeutungen darüber gemacht, dass Konrad zu aufgeweckt für ein Leben hinter Klostermauern sei. Welche Pläne hatten er und der Erzbischof wohl mit ihm? Es machte ihn wütend, dass einfach über seinen Kopf hinweg über ihn verfügt wurde.
Aber Matthäus hätte vermutlich gesagt, dass den kleinen Leuten einfach nichts anderes übrigbleibt, als sich zu fügen, wenn die hohen Herren Entscheidungen treffen. Planten sie am Ende, dass er nie mehr nach Neuwerth zurückkehren und Matthäus niemals wiedersehen sollte? Dann fiel ihm ein, dass Anselm auf der Wolkenburg ja kurz angedeutet hatte, Konrad könne mit ihm nach Köln mitkommen, allerdings erst, nachdem Gilbert das ohnehin schon vorgeschlagen hatte.
Nun übergab Anselm dem Erzbischof Rainalds Brief.
Arnold nahm ihn und legte ihn achtlos auf das Schreibpult. »Später«, sagte er und klatschte laut in die Hände. »Malachias! Lass für unsere Gäste auftischen! Wir wollen ein zweites Frühstück einnehmen, während ich euch über den anstehenden Prozess ins Bild setze. Mit vollem Bauch lässt es sich besser denken. Und unser junger Freund hier sollte aufmerksam zuhören, denn er kann dabei eine Menge über Politik und die Vertracktheiten des Regierungsgeschäfts lernen.«
Während Malachias geschäftig davoneilte, fragte Anselm: »Gibt es denn außer diesem Häretikerproblem andere wichtige Neuigkeiten?«
Arnold hielt ihnen das Tablett mit den Bratenstücken hin. »Los, nehmt reichlich! Es mangelt in diesem Palast zwar an Intelligenz und Aufrichtigkeit, aber nicht an Essen. Und es genügt doch nun wirklich, wenn die Einfältigeren unter unseren Schäfchen sich kasteien.«
Was würden wohl die vielen Gläubigen sagen, die brav die Fastengebote einhielten, wenn sie erfuhren, dass ihr Bischof es sich heimlich gutgehen ließ? Anselm schien das nicht zu kümmern. Er nahm sich ein großes Stück, während Gilbert sich zögernd und bescheiden eine kleine Ecke nahm. Konrads neuer Abt lächelte dazu und sagte: »Letztlich kommt es auf die tätige Liebe an und nicht darauf, was man isst.«
»Recht so!«, sagte Arnold. »Die Theologie findet immer gute Argumente für und gegen eine Sache.«
Konrad war völlig verwirrt. Jahrelang hatte man ihm im Kloster eingetrichtert, wie wichtig das strenge Einhalten religiöser Gebote war, und diese hohen Herren machten auch noch Witze darüber!
»Nun nimm schon ein Stück«, sagte Anselm kauend. »Das wäre unhöflich deinem Gastgeber gegenüber.«
»Keine Sorge«, sagte Arnold. »Du begehst keine Sünde, wenn du von dem Fleisch isst. Es ist Biber – schön fett und saftig! Biber ist in der Fastenzeit erlaubt, das ist sozusagen ein Fisch mit Pelz.«
Im Kloster Neuwerth hatte Balduin immer auf eine strikte Einhaltung der Fastengebote geachtet und sich sehr verächtlich über jene Mönche geäußert, die aus Gefräßigkeit alle möglichen Ausnahmen und Tricks ersannen, um auch in der Fastenzeit hemmungslos schlemmen zu können. Der Erzbischof gehörte offensichtlich zu dieser Sorte.
Als der Bischof Konrads zögerliche Miene sah, lachte er. »Unser junger Novize hier ist noch etwas zu gehorsam. Balduin und Fulbert haben bei seiner Erziehung ganze Arbeit geleistet. Aber an unserem Hof wird er bald lernen, dass es wichtig ist, nicht starr an Geboten festzuhalten, wenn man es in der Welt zu etwas bringen will. Es sei denn, man ist auf dem Weg zum Seelenheil schon so weit fortgeschritten wie unser Bruder Gilbert hier und kann der Welt aus freien Stücken entsagen. Balduin hätte vermutlich die Auffassung vertreten, dass der Biber dem Hasen oder dem Schwein ähnlicher ist als den Fischen. Andererseits schwimmt er im Wasser wie ein Fisch. Wir haben es hier also mit einem verwickelten theologischen Problem zu tun, sollten uns davon aber nicht den Appetit verderben lassen.«
Zögernd nahm Konrad ein kleines Stück Biberfleisch und biss hinein. Es schmeckte sehr
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