Der Mönch und die Jüdin
sie von himmlischen Mächten auserwählt worden war. Das Wissen und das Talent wird von Generation zu Generation weitergegeben. Brid erhielt ihre Ausbildung von ihrer Tante Widogard. Brid erwies sich als eine außergewöhnlich begabte Heilerin. Schon mit achtzehn Jahren vertrat sie ihre Tante häufig und wurde allein zu Kranken geschickt. Damals war mein Vater Ottokar Burgvogt. Ich selbst war ein Junge von dreizehn Jahren. Bei einem übermütigen nächtlichen Ausflug in die winterkalten Wälder hatte ich mir ein schweres Lungenfieber zugezogen, und mein Vater fürchtete um mein Leben. Brid machte mich wieder gesund. Zum Dank schenkte mein Vater ihr ein kleines Haus am Rande Vinebergs, damit sie auch künftig der Burgbesatzung und den Dörflern mit ihren Heilkräften zur Seite stehen konnte.
In jenen Tagen kam der junge Ritter Anselm von Berg auf die Wolkenburg. Er hatte dem damaligen Erzbischof Friedrich von Schwarzenberg in dessen Kriegen treu gedient und wurde nun als Reiterhauptmann zur rechten Hand meines Vaters. Als Brid auf der Burg bei einer Entbindung half, begegneten sich die beiden. Deine Mutter war eine wunderschöne Frau, Konrad, so schön, wie Brigid heute ist. Anselm verliebte sich unsterblich in sie. Und auch Brid gefiel der stattliche, tapfere junge Ritter. Schon bald wurde Hochzeit gefeiert. Anselm tat weiter Dienst auf der Burg, wohnte aber bei Brid in Vineberg. Dort wurde deine Schwester Brigid geboren, und ungefähr eineinhalb Jahre später kamst du zur Welt.
Anselm und Brid liebten einander sehr, und doch waren sie nicht wirklich glücklich. Immer öfter stritten sie. Brid war eine eigenwillige, stolze Frau, die ihre Bestimmung als Heilerin sehr ernst nahm und von Anselm erwartete, dass er das respektierte. Anselm seinerseits war ebenfalls stolz und außerdem recht herrisch, wie Ritter nun einmal sind. Er hatte damals ein rastloses, unstetes Wesen und hielt es nie lange an einem Ort aus. Da kam es ihm gewiss sehr gelegen, dass Erzbischof Friedrich immer öfter seine Zeit beanspruchte. Er wurde mit wichtigen militärischen Aufgaben betraut und begleitete den Bischof auf dessen zahlreichen diplomatischen Reisen.
Zum Dank für seine Dienste schenkte ihm Friedrich ein Rittergut vor den Toren Kölns. Anselms Besuche in Vineberg waren selten geworden. Und kam er dann doch einmal, waren Brid und er füreinander wie Fremde, das Feuer ihrer Liebe schwelte nur noch sehr schwach. Auch euch Kindern war der Vater fremd geworden. Anselm versuchte, Brid dazu zu bewegen, mit euch zu ihm auf das Kölner Rittergut zu ziehen. Er war ihr Mann. Nach Recht und Gesetz hätte er sie zwingen können, mit ihm zu kommen. Aber das wollte er nicht. Anselm mag seine Fehler haben, aber den freien Willen anderer hat er, soweit ich ihn kenne, immer respektiert. Nun, Brid weigerte sich. Zum einen sicherlich, weil sie ihre Bestimmung als Heilerin hier sah – in Vineberg und Umgebung, und auf der Wolkenburg, wo damals ja viel mehr Menschen lebten als heute.«
Ludowig zögerte einen Moment und schaute Konrad an, der gebannt lauschte. Dann fuhr er fort: »Der andere Grund war ich. Ich war inzwischen ein junger Mann von neunzehn Jahren und mit eher zartem Gemüt. Zwar hatte ich Reiten und Schwertkämpfen gelernt, aber ich verabscheute das Kriegshandwerk zutiefst und hasse es bis heute. Ich war immer auf der Suche nach Schönheit. Ich liebte alles Schöne und feierte es mit selbstverfassten Versen, seit ich vierzehn Jahre alt war. Ich hatte das Harfespiel erlernt und trug meine Gedichte und Lieder im Rittersaal vor, wenn mein Vater Gäste hatte. Meine Stimme war damals wohlklingend. Ich spürte, wie ich meine Zuhörer verzaubern konnte. Das war meine Berufung, ich hatte keine Lust, auf irgendeinem Schlachtfeld das Schwert zu schwingen.
Brid hatte ich insgeheim angebetet, seit sie mir seinerzeit das Leben gerettet hatte. Viele meiner Verse schrieb ich für sie. Zwar war sie fünf Jahre älter als ich, aber ihre Schönheit strahlte wie eh und je. Nun, was soll ich sagen? Anselm war nicht da. Brid war einsam und verliebte sich in mich und meine Gedichte. Als Anselm sie dann bat, zu ihm auf sein Gut zu ziehen, gehörte ihr Herz längst mir. Trotzdem sie sich einander entfremdet hatten, liebte Anselm sie noch immer. Ich glaube, dass ihn damals schreckliche Eifersucht quälte. Inzwischen war ich Brids Gefährte geworden. Sie erwartete ein Kind von mir. Und Anselm sah gewiss auch, dass du und deine Schwester mich gern mochtet und mich
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