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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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zusammengezimmertes und dadurch schrecklich unbequemes Handelsfuhrwerk. Vielmehr war dieser Wagen ein wahrhaft königliches, mit kunstvollen Schnitzereien verziertes Gefährt, bei dem dicke Polster und schützende Ledervorhänge für eine geradezu unvorstellbare Bequemlichkeit sorgten. Seine sechs berittenen Diener waren angeblich riesige Kerle, die einerseits lustig mit den Mägden schäkerten, andererseits aber bis an die Zähne mit Schwertern und Krummdolchen bewaffnet waren. »Ich wette um jeden Silberpfennig, den mein Herr, der alte Halsabschneider, mir schuldig ist, dass sie mit Straßenräubern schneller kurzen Prozess machen, als du mit deinen schönen Wimpern klimpern kannst«, hatte Nathans Diener zu Josephs Küchenmagd gesagt.
    Unter den von Salomon ben Isaak mitgebrachten Gastgeschenken war auch ein edles, perlenbesetztes Silbergeschmeide für Nathans Frau, was den alten Geizkragen, der seiner Frau nie auch nur das kleinste Schmuckstück schenkte, in arge Verlegenheit gebracht hatte. Hannah freute sich diebisch, als die Magd ihr das erzählte. Die Tante tat ihr oft leid, weil ihr despotischer Onkel sie behandelte wie eine Sklavin.
    Selbst zu Gesicht bekommen hatte Hannah den reichen Herrn aber noch nicht, und so stand sie nun gespannt neben ihrer Mutter und ihrer Schwester im Atrium und wartete, dass der Diener den Gast hereinführte.
    Salomon ben Isaak war nicht ganz so alt, wie Hannah erwartet hatte. Jünger als Joseph und Nathan war er auf jeden Fall.
    Sie schätzte ihn auf etwa fünfzig Jahre. Er trug einen eindrucksvollen grauen Vollbart, der sehr gepflegt wirkte, und seine große, beleibte Gestalt erinnerte an die Bären, die auf Festen und Jahrmärkten vorgeführt wurden. Er war wie ein Edelmann gekleidet, in einer Farbigkeit, wie man sie selbst bei verhältnismäßig wohlhabenden Leuten wie Joseph und anderen Kaufmännern nur selten sah: leuchtendes Blau und Grün, ja sogar kostbares Rosenrot. An seinen plumpen, fleischigen Fingern schimmerten goldene und silberne, mit Edelsteinen besetzte Ringe.
    Mit tiefer, volltönender Stimme begrüßte er zunächst den Hausherrn Joseph, dann Ruth, der er galante Komplimente für ihre Schönheit machte. Ruth, die in den langen Jahren ihrer Ehe dick und rund geworden war, errötete und schlug beschämt die Augen nieder. Als Gastgeschenk erhielt sie einen mit feinsten Ornamenten verzierten silbernen Armreif.
    Nun kam Hannah an die Reihe. Salomon verneigte sich vor ihr und sagte: »Joseph ben Yehiel, Ihr habt wirklich bezaubernde Töchter in die Welt gesetzt, schön wie byzantinische Prinzessinnen! Es ist mir eine Ehre, Euch kennenzulernen, Hannah, Tochter des Joseph.« Er verneigte sich in Anbetracht seines Bauches erstaunlich grazil und überreichte ihr zwei wunderbar gearbeitete silberne Ohrringe, in die jeweils ein leuchtend blauer Edelstein eingelassen war. Ungläubig hielt sie die beiden Schmuckstücke in der Hand und betrachtete fasziniert, wie sie im Licht der Öllampen schimmerten. Dann erst fiel ihr ein, dass sie sich ja noch bedanken musste, was sie mit einer leichten Verbeugung rasch nachholte. Dabei achtete sie aber darauf, nicht zu ehrerbietig zu erscheinen, damit der dicke Salomon sich nur ja keine falschen Hoffnungen machte.
    »Es freut mich, dass sie Euch gefallen«, sagte Salomon mit seiner gewinnend klingenden Bassstimme. Mit dieser Stimme konnte er Geschäftspartner sicher gut um den Finger wickeln. »Ich habe sie bei einem Silberschmied in Konstantinopel erstanden, einem wahren Meister seines Faches, wie mir selten einer begegnet ist.«
    Als er auch der fünfzehnjährigen Rebekka ein Geschenk überreicht hatte – ein hübsches Diadem –, schritt man zur Tafel. Im Gegensatz zu Nathan ließ es Joseph an nichts fehlen, wenn es Gäste zu bewirten galt. Er freute sich stets über Besucher, weil sie Neuigkeiten aus der Welt mitbrachten. Hannah empfand das genauso: Besucher bedeuteten Abwechslung, sie brachten aufregende Berichte aus fernen Gegenden, die sie selbst vielleicht niemals zu Gesicht bekommen würde. Unter diesem, aber auch wirklich nur diesem Gesichtspunkt war Salomon ben Isaak ein sehr interessanter Gast.
    Ruth hatte die Sitzordnung so arrangiert, dass Hannah genau gegenüber von Salomon saß, was ihr gar nicht behagte. So würden der Kaufmann und sie sich zwangsläufig immer wieder in die Augen sehen. Hannah wäre es viel lieber gewesen, seitlicher zu sitzen, sich unauffällig im Hintergrund halten zu können. Aber für Salomon war

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