Der Mönch und die Jüdin
verschwörerischen Zwinkern vor. »Zwar tragt Ihr eine Kutte, aber so ein junger Mann wird doch bestimmt nicht blind sein für die Reize der Frauen. Stimmt Ihr mir etwa nicht zu, dass die Burgherrin Brigid von erregender Schönheit ist?«
»In unserem Kloster wird erzählt, sie sei eine böse Zauberin.«
»Eine Hexe? Eine Hagazussa?« Hartmann lachte. »Hat sie denn eine Warze auf der Nase und einen Buckel? Sitzt ein schwarzer Rabe auf ihrer Schulter? Je schöner eine Frau ist, desto sündiger erscheint sie Euch armen Mönchlein. Aber Ihr redet nur deshalb schlecht von den Frauen, weil es Euch verboten ist, die Äpfel zu pflücken, die sich so verführerisch im Wind wiegen.«
Konrad starrte ärgerlich auf den Boden. Dieser Musikant war noch viel unangenehmer als Anselm.
»Ich weiß jedenfalls nichts Schlechtes über die Burgherrin zu sagen«, fuhr Hartmann fort. »Als wir vor einer Woche herkamen, litt einer meiner Musikanten unter einem schlimmen Fieber. Mit Kräutern, die sie im Wald gesammelt und mit Wasser aufgebrüht hat, hat sie ihn wieder gesund gemacht. Wenn sie über besondere Kräfte verfügt, dann ist sie ganz bestimmt eine Heilerin und keine böse Hagazussa. Wir sind immer wieder gern auf der Wolkenburg zu Besuch. Rainald und Brigid sind überaus großzügige Gastgeber, die uns fahrendes Volk angemessen zu bewirten verstehen. Ich habe hier wirklich keinen Grund zur Klage, denn ich weiß bei Gott, was für verfluchte Geizkragen manche Rittersleute sind!«
Von unten drang der klare, kalte Klang einer Glocke herauf. »Man erwartet mich zum Essen«, sagte Konrad erleichtert, weil er nun einen guten Grund hatte, sich zu entfernen. Ein Mensch wie dieser Hartmann war ihm noch nie begegnet.
»Wartet. Es wird bereits dunkel.« Hartmann verschwand in dem Holzverschlag. Konrad sah, dass er eine Öllampe anzündete. Er reichte sie ihm und sagte: »Die Treppe nach unten ist eng und steil. Gebt acht, dass Ihr den Ausgang nicht versäumt! Dieser Turm birgt in seinen Tiefen ein Geheimnis, das nicht für Gäste bestimmt ist.«
Auf dem Weg hinunter dachte Konrad darüber nach, was dieser Hartmann gesagt hatte. Eine Heilerin. War es eine Sünde, Kräuter zu sammeln und damit einen Menschen gesund zu machen? So machte es auch Matthäus. Das war, neben der Kochkunst, der Zweck des klösterlichen Kräutergartens. Doch verstanden Frauen davon genauso viel wie gelehrte Mönche?
Die Treppe schien sich endlos in die Tiefe zu winden. Und dann hörte sie plötzlich auf. Konrad blieb erschrocken stehen. Er wusste, dass die Treppe von der Stelle, wo der Gang zur Tür des Turms abzweigte, weiter hinabführte. Das hatte er beim Aufstieg gesehen.
Nun war ihm vor lauter Aufregung genau das passiert, wovor Hartmann ihn gewarnt hatte! Er hatte den Gang zur Tür verpasst und war weiter die Wendeltreppe hinabgelaufen, geradewegs in den Keller, den er doch hätte meiden sollen. Was für ein Geheimnis war hier wohl verborgen? Oder hatte der seltsame Musikant ihm mit dieser Bemerkung nur Angst einjagen wollen? Vor ihm lag ein breiter Gewölbegang, der jedoch nach wenigen Schritten vor einer mächtigen Tür endete.
Und dann hörte Konrad die Schritte.
Sie kamen aus einem kleineren, seitlich von der Treppe wegführenden Gang. Im flackernden Licht der Öllampe tauchte eine große, kräftige Gestalt auf. Ein Mensch und doch kein Mensch. Der Körper eines Mannes, aber ein Gesicht, das nur die Fratze eines Dämons aus der Hölle sein konnte. Nie hatte Konrad etwas Scheußlicheres gesehen. Das rechte Auge, die rechte Wange und die Nase waren die eines Menschen, doch der ganze Rest des Gesichts war eine grausige, unförmige Masse mit einer blinden Augenhöhle darin. Ein großer Teil der Lippen fehlte, so dass die Kreatur die Zähne bleckte wie ein wildes Tier.
Mit einem Schrei ließ Konrad die Lampe fallen. Das Öl lief aus und entzündete sich. Die Kreatur stieß einen widerlich zischenden, gurgelnden Laut aus, sprang auf Konrad zu, stieß ihn zur Seite und trat dann mit ihren schweren Stiefeln die Flammen aus. Konrad wirbelte herum und rannte so schnell er konnte die Treppe hinauf.
Doch er kam nur wenige Stufen weit, dann prallte er gegen jemanden, der ihn an den Schultern packte und festhielt. Es war Brigid. »Ein Teufel … ein Dämon … dort unten!«, stammelte Konrad.
»Ruhig, Konrad, hab keine Angst.« Brigids Stimme klang sanft und beruhigend. »Was du für einen Dämon hältst, ist in Wahrheit ein Mensch wie du und ich. Er heißt
Weitere Kostenlose Bücher