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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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aus ihrem Gesicht. Sie wirkte gekränkt, was Konrad mit einer gewissen Befriedigung registrierte. Der Zauberbann war gebrochen, jedenfalls für den Augenblick. »Ich bin Brigid«, sagte sie. »Ich trage keine Kreuze.« Sie senkte den Blick, und als sie wieder aufsah, bemerkte er verwundert, dass in ihren Augen Tränen schimmerten. Das verstand er nicht. War das auch Teil ihrer Magie, mit der sie ihn in ihren Bahn ziehen wollte?
    »Wie ich sehe, hast du dich auf den Turm zurückgezogen, weil du allein sein möchtest«, sagte sie rasch und vermied es nun, ihn anzusehen. »Komm zum Rittersaal, wenn die Glocke läutet. Dort werden wir essen, Geschichten und Lieder hören und … uns kennenlernen.« Eilig wandte sie sich ab und lief die Treppe hinunter. Ihre Schritte verhallten in der Tiefe des Bergfrieds, dann hörte man nur noch das Rauschen des Windes.
    Konrad bemerkte, dass der Turmwächter sich nicht wieder in seinen Holzverschlag zurückgezogen hatte, sondern ihn aufmerksam anschaute. Nun sah Konrad, dass der Mann gar kein erzbischöflicher Soldat war. Er trug eine dunkle Wollweste und eine einfache Hose, und hinter ihm an der Wand lehnte eine Harfe. Man sah ihm an, dass er viel Zeit auf der Straße verbrachte, denn seine Haut war tief gebräunt und sein Gesicht wettergegerbt. Langes blondes Haar wallte über seine Schultern.
    Er deutete eine Verbeugung an. »Hartmann, fahrender Sänger.«
    »Ich dachte, Ihr seid ein erzbischöflicher Soldat«, sagte Konrad erstaunt.
    »O nein! Das Kriegshandwerk liegt mir nicht. Ich ziehe mit meinen Musikanten von Burg zu Burg. Heute Abend werden wir ein letztes Mal im Rittersaal aufspielen. Es wird Zeit, dass wir uns wieder der Straße anvertrauen.«
    »Was tut Ihr denn hier oben auf dem Bergfried?«
    Hartmann breitete die Arme aus. »Ah, die Melodie des Windes und der weite Blick! Könnte es einen schöneren Ort geben, um neue Lieder zu ersinnen und mich im Harfenspiel zu üben?«
    »Und wo sind Eure Musikanten?«
    Hartmann grinste und zuckte die Achseln. »Die vergnügen sich heute in Vineberg im Badehaus mit den leichten Mädchen. Aber ich erwarte sie bald zurück.«
    »Wie könnt Ihr es dulden, dass Eure Leute einen solchen Ort des Lasters aufsuchen?«, fragte Konrad entrüstet. »Ihr seid immerhin zu Gast auf einer erzbischöflichen Burg!« Badehäuser waren von Balduin als wahre Sündenpfuhle verdammt worden, wo Männer und Frauen schamlos alle Hüllen fallen ließen und offen Unzucht trieben. Da der Körper generell als sündhaft angesehen wurde, hatte Balduin den Mönchen geraten, sich allerhöchstens einmal im Monat zu waschen, und zwar möglichst, ohne ihren Körper dabei anzusehen.
    Hartmanns Grinsen wurde breiter. »Dabei ist doch der Kölner Erzbischof auch nicht gerade ein Kind von Traurigkeit! Aber was kümmert's Euch? Wir spielen keine frommen Choräle. Wir machen Musik für die Füße, den Bauch und« – er klopfte sich mit der flachen Hand auf die Brust – »das Herz.« Er musterte Konrad ziemlich abschätzig. »Und Frömmigkeit ist es ganz sicher nicht, was die adligen Herren, die uns bezahlen, von uns erwarten. Sie wollen gut unterhalten werden.«
    Was der Mann sagte, gefiel Konrad überhaupt nicht, aber er betrachtete fasziniert Hartmanns Instrument. In Neuwerth hatte er ein paar Mal fahrende Spielleute gesehen, die mit primitiv und grobschlächtig aussehenden Flöten und Drehleiern die Bauern unterhielten, doch deren Musik hatte sich wie schreckliches Katzengejaule angehört.
    Hartmanns Harfe wirkte alles andere als einfach. Sie war offenbar von einem begnadeten Handwerker geschaffen worden. Ihr dunkel schimmerndes Holz war reich mit Pflanzenornamenten und kunstvoll geschnitzten Tierköpfen verziert. Konrad hätte gerne einmal ihren Klang gehört, und obgleich ihm der Spielmann recht unsympathisch war, sprach er diesen Wunsch laut aus.
    »Ein schönes Instrument, ja, das finden alle«, sagte Hartmann mit unverhohlenem Stolz. »Ein provenzalischer Sänger, dem ich mutig zur Hilfe geeilt bin, als er von Wegelagerern bedrängt wurde, hat sie mir zum Dank dafür geschenkt, dass ich ihm das Leben gerettet habe.« Er nahm die Harfe und schlug ein paar Akkorde an, die vom Wind davongetragen wurden. Zart und lieblich, geradezu engelhaft klang das Instrument, und Konrad fragte sich verwundert, wie ein in seiner Sprache und seinem Benehmen doch sehr gewöhnlich wirkender Mensch eine so erhabene Musik hervorbringen konnte.
    Hartmann beugte sich mit einem

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