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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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wie Euer Bruder mir berichtete, ein Mann der Bücher. Und der Handel mit Büchern und allem, was man zu deren Herstellung benötigt, ist Euer besonderes Metier. Auch ich habe in meinem Leben manches Buch gelesen und weiß den Wert der Literatur zu schätzen. Aber mich haben immer vor allem die Dinge interessiert, deren Schönheit den Sinnen schmeichelt – edle Stoffe, großartiges Kunsthandwerk wie filigraner Schmuck oder intarsienverzierte Truhen, aromatische Gewürze und duftende Öle. Darum könnte ich auch niemals ausschließlich Geldgeschäfte betreiben. Der Geldverleih ist ein einträgliches Gewerbe, denn der finanzielle Hunger der Mächtigen ist groß. Aber ich brauche den täglichen Umgang mit Dingen, die Auge, Nase und Gaumen erfreuen.«
    Joseph wiegte zweifelnd den Kopf. »Aber führt denn dieses ganze Streben nach materiellem Reichtum und Genuss die Welt nicht in große Verwirrung? Sollten wir nicht vor allem nach Erkenntnis und Weisheit streben?«
    »Nun ja, was ist Weisheit?«, fragte Salomon. »Darüber werden sich die Menschen auch in tausend Jahren nicht einig sein. Ihr, ehrenwerter Joseph, findet Weisheit darin, Euch mit den großen Werken der Literatur zu beschäftigen. Die Bibliothek ist für Euch ein Paradies auf Erden. Ich, für meinen Teil, finde Weisheit darin, mich an schönen materiellen Dingen zu freuen. Es bereitet mir Vergnügen, bei jenen einzukaufen, die diese Kostbarkeiten herstellen, und jene zu beliefern, die daran Freude haben und mir einen guten Preis zahlen. Mir scheint, jeder Mensch schafft sich seine eigene Weisheit, ganz wie es seinem Wesen entspricht. Die größte Verwirrung in der Welt verursachen doch nicht die friedlichen Künstler, Handwerker und Händler, sondern jene, die aus Fanatismus und Machtgier brandschatzen und ganze Städte in Schutt und Asche legen! Jeder Genießer und Liebhaber weltlicher Freuden ist mir tausendmal lieber als die Gotteskrieger, die nun wieder einmal drauf und dran sind, sich im Namen von Jesus Christus oder Allah die Köpfe einzuschlagen – in ihrem Fanatismus und Hass blind für alles, was vernünftigen Menschen Genuss und Vergnügen bereitet. Und dabei wollen wir anderen, die Mehrheit der friedlichen Juden, Sarazenen und Christen, doch eigentlich nichts anderes, als in Ruhe unserem Handwerk und unseren Geschäften nachgehen zu können, kurz, Dinge zu tun, die uns Freude machen.«
    Was Salomon sagte, erinnerte Hannah ein wenig an die Lehren des griechischen Philosophen Epikur, und sie wollte ihn fragen, ob er in der Philosophie der Griechen bewandert sei, doch da sagte der Kaufmann: »Joseph ben Yehiel, Vater von Hannah, ich danke Euch für das vorzügliche Gastmahl. Würdet Ihr mir nun ein Gespräch unter vier Augen gewähren?«
    Onkel Nathan, der offenbar erwartet hatte, ebenfalls hinzugebeten zu werden, machte ein beleidigtes Gesicht. Joseph stand auf. »Es ist mir eine Ehre, Salomon ben Isaak. Folgt mir bitte in die Bibliothek.«
    Joseph zwinkerte Hannah aufmunternd zu und ging dann mit seinem Gast die Treppe hinauf. Als die beiden verschwunden waren, sagte Nathan zu Hannahs Mutter: »Habe ich zu viel versprochen, Schwägerin? Er ist wahrhaftig eine glänzende Partie.«
    Ruth, die ihren Schwager nie gemocht hatte, sagte nichts zu dieser Bemerkung und wandte sich, über das ganze runde Gesicht lächelnd, Hannah zu. »Wie findest du ihn? Er ist, wie mir scheint, ein sehr gebildeter Mann mit großem Anstand. Ich habe nicht alles verstanden, was er gesagt hat, aber ich bin schließlich auch nur eine Frau. Und hast du seine Kleidung und seine Ringe gesehen? Und der wunderbare Schmuck, den er uns geschenkt hat! Hannah, wenn du ihn heiratest, wird er dich mit einem Reichtum und Luxus verwöhnen, wie wir ihn dir niemals bieten konnten. Du wirst leben wie eine Königin.«
    »Natürlich wird sie ihn heiraten«, sagte Nathan, ohne Hannah auch nur eines Blickes zu würdigen. »Sie wird es tun, weil es das Beste für die Familie ist.«
    Hannah hätte ihrem Onkel am liebsten einen Becher Wein ins Gesicht geschüttet, aber sie wahrte die Fassung, saß stumm und aufrecht da und fragte sich, was Salomon und Joseph jetzt wohl beredeten. Machte er Joseph ein Angebot, versprach er, die Familie mit Gold und Edelsteinen zu überhäufen, wenn er Hannah als Braut nach Speyer heimführen durfte? Zum Glück machte sich Joseph nichts aus Gold und Edelsteinen.
    »Das ist allein eine Angelegenheit zwischen Joseph und mir«, sagte Hannah trotzig, mit

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