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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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hetzt?« Er warf einen schiefen Blick in Richtung des Tisches, an dem Anselm und Konrad saßen. »Denk dir meinetwegen deinen Teil, aber halt's Maul!«
    Daraufhin schauten die Männer mit so grimmigen Gesichtern zu ihnen hinüber, dass Konrad vor Angst zu schwitzen anfing. Anselm nahm sich den letzten Löffel Gemüse aus der Schüssel und schien sich nicht im Geringsten für das zu interessieren, was da an der Theke geredet wurde. Doch dann flüsterte er mit vollem Mund Konrad zu: »Auch ein Grund, warum ich gerne in einfachen Herbergen übernachte. Ist eine gute Gelegenheit, dem Volk aufs Maul zu schauen.«
    In diesem Moment betrat ein junger Mann die Schenke. Er trug ein weißes Mönchshabit, und in seinen Augen glitzerte ein sonderbares Feuer der Begeisterung. »Was steht ihr hier finster in der Schenke herum, Männer?«, fragte er mit heller, erregter Stimme, als habe er eine ganz besondere Botschaft zu verkünden. »Kommt mit mir zum Kirchplatz und hört die Predigt des neuen Apostels! Ich bin ein Diener von Radulf, der durchs Rheinland zieht und verkündet, was der Heilige Geist ihm eingegeben hat! Erfahrt, warum der Kreuzzug gleich hier bei uns, in unseren Städten, beginnen muss und warum die Juden unsere schlimmsten Feinde sind. Wenn euch euer Seelenheil lieb ist, dann hört euch an, was Radulf, unser neuer Apostel, zu sagen hat!«
    »Na, wenn seine Predigt gegen die Juden geht, dann will ich sie auf keinen Fall verpassen!«, sagte der vierschrötige Mann und klatschte in die Hände. »Los, Leute, das hören wir uns an!« Sie folgten dem Mönch, der von der Begeisterung für Radulf regelrecht durchdrungen schien, nach draußen.
    Anselms Miene hatte sich verändert, wirkte jetzt wachsam und besorgt. Er wischte sich rasch den Mund ab, stand auf und gürtete sein Schwert. »Komm, Konrad«, sagte er. »Wie ich unseren Freund Gilbert kenne, wird ihm gar nicht gefallen, was dieser Radulf der Menge predigt. Es könnte ziemlich gefährlich werden, wenn er sich auf ein Wortgefecht mit Radulf einlässt. Besser, wir beeilen uns.«
    Anselm bezahlte rasch, dann beluden sie ihre drei Pferde, die tatsächlich, wie Anselm gesagt hatte, im Stall der Herberge gut versorgt worden waren, saßen auf und ritten zur Kirche. Anselm führte Gilberts Pferd am Zügel.
    Bei dem Gedanken, dass sich auf dem Kirchplatz eine ganze Menge solcher furchteinflößenden Kerle versammelt haben könnten, wie die, die in der Schenke gestanden hatten, wurde Konrad ganz mulmig zumute. Er wünschte sich sehr, auch ein Schwert zu tragen oder sich wenigstens wie Brigid mit einem Messer seiner Haut wehren zu können, auch wenn das nicht so heldenhaft war wie ein Schwertkampf.
    Die Juden … Konrad wusste nur wenig über sie. In Neuwerth gab es keine Juden, und so war er noch nie einem von ihnen begegnet. Einige Mönche hatten gelegentlich abfällige Bemerkungen über Juden und ihre Religion gemacht. Balduin hatte sich offenbar nicht sonderlich für sie interessiert, denn in seinen Predigten kamen sie so gut wie nie vor.
    Doch einmal hatte Konrad einen Brief Bernhards kopieren müssen, in dem sich der Zisterzienserabt mit den Juden befasste. Darin bezeichnete er sie zwar als ›grausamste Menschenmörder, ja sogar Gottesmörder‹. Aber er war auch der Meinung, dass die Juden verschont werden müssten. Man dürfe sie nicht verfolgen, erschlagen und noch nicht einmal verjagen. Im Römerbrief habe Paulus vorhergesagt, dass die Juden sich am Ende der Zeiten bekehren würden und ganz Israel gerettet würde. Diese Prophezeiung in der Heiligen Schrift müsse unbedingt erfüllt werden. Bernhard betrachtete die Juden als schlecht und verdorben, weil sie Christus gemartert hatten. Schonung gewährt werden solle ihnen ausschließlich, weil in der Bibel ihre letztendliche Bekehrung prophezeit wurde.
    Liebe und Mitgefühl schien Bernhard den Juden nicht entgegenzubringen. Sie zu verschonen, hatte für ihn rein theologische Gründe. Seine Nächstenliebe beschränkte sich ausschließlich auf die Christen. Richtig verstanden hatte Konrad das nie. Als er damals diesen Bernhard-Brief kopierte, hatte er Fulbert mit – wie er jetzt fand – jugendlicher Naivität gefragt: »Aber ist es denn gerecht, dass Bernhard alle heutigen Juden verachtet? Auch unter uns Christen gibt es doch gute und schlechte Menschen. Warum soll das bei den Juden anders sein? Und … Jesus war doch selbst Jude.«
    Da war der Bibliothekar schrecklich wütend geworden. »Wie kannst du es wagen, einen

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