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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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breitbeinig neben Gilbert, die Hand auf dem Schwertgriff.
    Radulf schaute Gilbert an. »Ah, ein Judenfreund! Ja, selbst heute noch haben die Juden Freunde!« Er zeigte auf Gilbert und rief der Menge zu: »Da! Seht ihn euch gut an! Er sieht ganz wie ein frommer Mönch aus. Er sieht so fromm aus wie ich oder wie Honorius, mein treuer Übersetzer. Aber lasst euch nicht täuschen! Die Juden sind Diener des Teufels. Und deshalb ist jeder des Teufels, der mit ihnen gemeinsame Sache macht, mag er nach außen auch noch so friedlich und fromm erscheinen!«
    Konrad sah, wie Anselm die Hand auf Gilberts Schulter legte und leise auf ihn einredete. Der Magister theologicae schüttelte den Kopf, und als Honorius, der Benediktiner, Radulfs Worte übersetzt hatte, sagte Gilbert ruhig, aber laut und vernehmlich: »Ihr sprecht die Unwahrheit, Radulf. Ihr hetzt die Menschen dazu auf, das Blut Unschuldiger zu vergießen. Wenn Ihr wirklich ein Diener Gottes wäret, wenn Ihr wirklich vom Heiligen Geist beseelt wäret, dann würdet Ihr Brücken bauen zwischen Christen und Juden, Brücken der Liebe, statt Hass zu säen.«
    »Schweig, du Judenknecht!«, donnerte Radulf. »Wage es nicht, meine Predigt noch länger zu stören! Meine Brüder und Schwestern in Bonn, hört nicht auf diese teuflischen Einflüsterungen! Ich spreche im Auftrag Gottes. Wem wollt ihr dienen? Dem Fürsten der Finsternis oder Gott, dem Allmächtigen? Wenn ihr Satan dienen wollt, dann macht Geschäfte mit den Juden, verkehrt in ihren Häusern und beschützt ihre Synagogen. Doch dann werdet ihr zu denen gehören, die am Tag des Jüngsten Gerichts in die Hölle gestoßen werden. Dann werdet ihr im Feuer schmoren bis in alle Ewigkeit, gemartert von schrecklichen Dämonen. Mein ist die Rache, spricht der Herr, vergesst das niemals!«
    Die brodelnde Stimmung der Menge war fast körperlich zu spüren. Sie erschien Konrad wie ein großes, dunkles Untier. Ein Wort Radulfs genügte, und dieses unheimliche Wesen mit hundert Beinen und Armen würde über Gilbert und Anselm herfallen. Er schwitzte vor Angst, und auch die Pferde wurden unruhig. Drüben bei der erzbischöflichen Stadtburg rührte sich nichts. Der Vogt ließ die Leute offenbar einfach gewähren. Vielleicht wagte er es ja mit seinen wenigen Soldaten nicht, einzuschreiten und die Menge auseinanderzutreiben. Oder es war ihm gleichgültig, was hier geschah.
    Warum kamen Anselm und Gilbert nicht endlich? Nur rasch auf die Pferde und davonreiten, ehe hier ein Unglück geschah!
    »Jetzt fragt ihr euch, wie ihr die Vergebung der Sünden und einen Platz im Paradies erlangen könnt?«, rief Radulf.
    Aus der Menge antwortete ein Mann: »Ja! Die Vergebung unserer Sünden!«
    »Indem ihr zu Streitern Gottes werdet. Gott vergibt denen, die mutig für seine Sache kämpfen. Duldet die Feinde Gottes nicht länger in eurer Mitte! Lasst sie nicht länger unbehelligt ihren teuflischen Geschäften nachgehen! Ergreift sie und erschlagt sie, wo immer sie sich aufhalten! Zündet ihre Häuser an! Brennt alles nieder, was ihnen gehört!« Radulf reckte seine geballten Fäuste in die Luft, während er diese hasserfüllten Sätze herausschrie.
    In der Menge rief jemand: »Tod den Juden!«
    Konrad erkannte ihn. Es war der junge Mönch, der die Zecher in der Schenke angesprochen hatte.
    Ein anderer Mann, ebenfalls im Mönchshabit, stimmte in diesen Kampfruf ein: »Tod den Juden! Brennt die Synagoge nieder!«
    Offenbar hatte Radulf seine eigenen Leute geschickt in der Menge platziert, um die Stimmung weiter anzuheizen.
    Gilbert schüttelte mit trauriger Miene den Kopf. Jetzt endlich ließ er sich von Anselm wegzerren, die Stufen hinunter und zu den Pferden.
    »Tötet die Judenknechte!«, schrie jemand aufgebracht.
    »Los auf die Pferde und weg von hier!« Mit gezücktem Schwert schwang sich Anselm in den Sattel.
    Eine Gruppe grimmiger Männer löste sich aus der Menge, offenbar entschlossen, ihnen den Weg abzuschneiden. »Tod den Juden und allen Judenfreunden!«
    »Reitet, so schnell ihr könnt. Reitet jeden nieder, der sich euch in den Weg stellt«, sagte Anselm zu Konrad und Gilbert. Dann richtete er sich hoch im Sattel auf, schwang sein Schwert und brüllte drohend: »Ich bin der Marschall des Erzbischofs. Ich töte jeden von euch, der uns zu nahe kommt!«
    Anselm versetzte einem Mann mit dem flachen Schwert einen heftigen Schlag auf den Kopf. Zwei andere Männer rannten zu Gilbert und wollten ihn aus dem Sattel zerren. Anselm wendete geschickt

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