Der Mörder aus einer anderen Zeit
Aktion,
Schulken! Ist das klar?«
»Ist klar, Herr Körner.«
Damit war das Gespräch beendet.
Kein Abschiedswort. Tote Leitung. Schulken konnte sein Handy zuklappen.
Er schwitzte. Da gibt man sich
alle Mühe... Und nun das! Statt Lorbeer und Anerkennung ein Tritt in den
Hintern.
Schulken schlug aufs Lenkrad.
Was jetzt? Nocke hatte sein Handy zwar bei sich, aber es war abgeschaltet.
Aus gutem Grund. Eventuelles
Klingeln konnte verräterisch sein. Und wie vom Klingelzeichen, vom Rufton, auf
Vibracall — auf lautloses Vibrieren — umzuschalten ist, das hatte der Flachkopf
bis jetzt nicht gecheckt. Immerhin wusste er, wie man ab- und auf Mailbox
schaltet. Aber damit war er im Moment für Schulken nicht erreichbar.
Verdammt! Die beiden wollten
die Lage peilen, waren durch den Seitenweg getigert bis zur Querstraße und
befanden sich jetzt längst auf der Rückfront der Vierstein-Villa. Geplant war:
Vordringen bis zum Haus, Überfall ausführen. Beide hatten sich mit
Baseballschlägern bewaffnet.
Schulken stieg aus, schloss den
Wagen ab und lief erst mal nach vorn zur Lindenhof-Allee, um dort zu spähen.
Die Idee war richtig. Denn er sah gerade noch, wie dieser Tim Peter Carsten und
seine Blondine Hand in Hand die Allee entlanggingen — in entgegengesetzte
Richtung. Sie waren schon weit, waren kaum noch zu erkennen und bogen jetzt ab
zum Ehrenborn-Platz.
Dann sind nur die beiden Jungs
in der Villa, dachte Schulken.
Er rannte zurück, musste seine
Kumpane finden, bevor es zu spät war.
16.
Baseballschläger und 12 000 Bücher
Keine Probleme bei den
Glockners. Gabys Mutter gab die Erlaubnis. Tims Freundin durfte mit nach Zürich
— weil die Gelegenheit so günstig war und weil die Besichtigung historischer
Sehenswürdigkeiten allemal förderlich ist für Bildung, für einen erweiterten
Horizont.
Tim bemühte sich um eine
harmlose Miene, übertrieb aber nicht, schwärmte von der Züricher Wasserkirche —
einem gotischen Bau aus dem 15. Jahrhundert — und dem Haus »am Rechberg«, einem
prachtvollen Patrizierhaus im Rokokostil.
Gaby packte schnell ihre
Reisetasche und streichelte Oskar, der gern mitgekommen wäre — egal, wohin.
Aber das ging natürlich nicht.
»Mami, dann bis Montag! Bussi!«
Margot wurde von ihrer Tochter
umarmt, dann Tim von Margot.
»Bei dir weiß ich ja, dass du
Gaby bedingungslos beschützt.«
»Wenn es sein müsste — mit
meinem Leben.«
»Mein Gott, Mami!«, kicherte
Pfote. »Wir reisen nicht in den Kongo. Wir fahren gemütlich in die Schweiz.«
»Kriminelle sind überall.«
Stimmt genau!, dachte Tim. Aber
wir wollen ja nur zum PEW-Partei-Vorsitzenden. Der waltet in gehobener Position
und hat null Vorstrafen.
Tim trug Gabys Tasche. Sie
fuhren wieder mit der U-Bahn. Die Dämmerung war angebrochen. In der
Lindenhof-Allee war es so ruhig, als zwinge das Endspiel einer
Fußball-Weltmeisterschaft nicht nur die Bier trinkenden, Kartoffelchips
knabbernden Freaks vor die Mattscheibe, sondern auch die Fußballverächter. Weil
diese wenigstens die Ausschreitungen der Hooligans miterleben wollten. Denn
Spaß muss ja sein bei edlem Sport und noblem Spiel — auch wenn hinterher die
Krankenhäuser bersten.
Tim spähte in alle Richtungen.
Der graue VW war nicht zu sehen.
»Gefällt mir nicht!«,erklärte
der TKKG-Häuptling. »Mein Gespür sagt mir: Die Mistkerle sind noch in der Nähe.
Ich gucke mal in die Seitenwege.«
»Soll ich mitkommen? Dumme
Frage. Natürlich nicht.« Gaby lächelte. »Ich darf schon reingehen. Gib mir die
Tasche.«
Sie standen vor dem
Vierstein-Grundstück. Tim küsste seine Freundin auf die Nasenspitze und dann
auf die Wange. Zwar war zu erwarten, dass er in längstens zehn Minuten
nachkommen würde — aber jeder Abschied ist ein Abschied und Gelegenheiten muss
man nutzen.
Gaby lief durch die Einfahrt
zur Villa.
Tim trabte zur nächsten
Seitenstraße.
*
Kein Licht hinter den vorderen
Fenstern. Das fiel Gaby zwar auf, aber sie wunderte sich nicht. Sicherlich
waren Karl und Klößchen in einem der hinteren Räume. Sie klingelte.
Die Tür schwang auf. Dunkle
Diele. Dann stand Nocke vor Gaby, wie aus dem Nichts gewachsen. Sie wurde
gepackt, wurde hereingezerrt. Eine nach Fisch riechende Hand presste sich ihr
auf den Mund. Aber die gehörte nicht zu Nocke, sondern zu Simon, der ebenfalls
hinter der Tür gelauert hatte. Gabys Tasche fiel zu Boden.
»Wenn du schreist, hauen wir
dir eine drauf.« Nocke grinste genüsslich.
Gaby war starr vor
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