Der Mörder aus einer anderen Zeit
Ergänzung im Raum
stehen. Der Chauffeur Georg holt Frau Sauerlich ab. Wir sehen sie gar nicht,
haben aber die Hinreise umsonst.
Gewissensnot zwickte an Gabys
Seele herum wie eine Horde aufgebrachter Dackel. Gaby liebt ihre Eltern.
Bombiges Verstehen ist angesagt in der Familie, Schwindelei oder gar Lüge
eigentlich niemals im Spiel. Andererseits müssen voraussehbare Verbote umgangen
werden. Denn nach Zürich wollte Gaby mit — unbedingt. Kleine Ungenauigkeit,
dachte sie. Das ist moralisch zu verantworten.
»...dann Montag«, sagte
Glockner.
»Wie bitte?«
»Dann erzählst du mir am Montag
von euren historischen Gräueltaten, nach denen ihr forscht.«
»Aus der Sicht der Gegenwart«,
lachte Pfote, »ist ja die ganze Menschheitsgeschichte eine Kette von
Gräueltaten. Keiner hat überlebt. Das muss endlich anders werden.«
»Mein zweites Telefon klingelt,
Gabylein. Gib auf dich Acht! Und grüß die Jungs!«
»Mache ich. Bussi, Papi!«
Beide legten auf.
Gaby lief in die Bibliothek
zurück, um sich am Einsortieren der Bücher zu beteiligen. Dabei musste sie über
Schulken, Simon und Nocke steigen. Alle waren gefesselt. Schulken rollte mit
den Augen und schwitzte vor Angst. Simon befand sich in einer Art Dämmerzustand
und stöhnte wie jemand, der nach einer Gliedmaßen-Amputation aus tiefer Narkose
erwacht. Nocke war noch k.o. Er hatte zwei Volltreffer eingesteckt und war
außerdem unglücklich gestürzt.
Als zwei Funkstreifenwagen und
der Notarzt vor der Vierstein-Villa eintrafen, hatten TKKG etwa 500 Bücher
wieder an ihre Plätze gestellt.
18. Busch
erkundet seinen Tatort
Am Samstagnachmittag spannte
sich ein blauer Himmel über Zürich. Auch das Wasser der Limmat, die durch die
Stadt fließt und in den Zürichsee mündet, sah blau aus. Hektik in der
Innenstadt, denn zahlreiche Touristen bestimmten das Tempo. Die Geschäftsleute
und die Hotellerie freuten sich über die Umsätze — und das an nahezu allen
Tagen im Jahr. Über die Drogenabhängigen am Limmatquai sah man hinweg, denn wo
so viel Licht ist, gibt es natürlich etwas Schatten.
Das dachte auch Conrad Busch:
Ex-Soziologe, gescheitert in mehreren Berufen, nunmehr als Räuber engagiert von
Dr. Ferdinand Geeber, der nachher die Schmiergeld-Millionen bringen würde für
den PEW-Vorsitzenden.
Busch war schon eingetroffen
per Auto, wohnte seit einer Stunde in einer Pension, die Rütli hieß, und sah
gepflegter aus als daheim in der TKKG-Stadt. Ordentliche Klamotten, nämlich
Anzug und Krawatte. Seine Pferdeschwanz-Frisur war um eine Handbreit gekürzt,
allerdings immer noch gegelt. Er roch nach Rasierwasser und trug eine teure
Armbanduhr. Nur gegen das Gesicht ließ sich nichts machen. Unreine Haut und
zwei Narben gaben ihm das Aussehen von etwa sechs Jahren Vorstrafe. Zu Unrecht!
Denn eingesessen hatte er bis jetzt noch nie.
Nach der anstrengenden Fahrt
hatte er eine Stunde geschlafen, dann geduscht, in einer Pizzeria Spagetti
gespeist, Cappuccino getrunken und den hübschen Mädchen nachgeschaut. Auf dem
Stadtplan hatte er sich schlau gemacht. Jetzt stand ein Bummel bevor durch
winklige Straßen — hin zum Hotel Beauchâteau, wo morgen Mittag der Überfall
stattfinden sollte.
Das Hotel lag in ruhiger,
feiner Gegend — unweit des Limmatufers. Ein ziemlich großes Gebäude, um das
herum Wohnhäuserzeilen entstanden waren — vermutlich in grauer Vorzeit.
Kopfsteinpflaster. Das Hotel war nicht glücklich über seine Lage, konnte sich
nämlich nach keiner Seite erweitern. Immerhin — die schmalen Straßen waren
Einbahnstraßen und im Beauchâteau lag die Qualität nicht vor der Fassade,
sondern hinter den Mauern. Hier kochten die besten Köche der Schweiz. Hier war
der Service fremden-freundlich zuvorkommend. Hier sah selbst das kleinste
Gästezimmer aus wie ein Prunkgemach. In der Lobby, der Hotelhalle, hingen
Originalgemälde im Werte von mindestens 10 Millionen Schweizer Franken. Die
Teetrinker in den Sesseln, die Champagner-Nipper an der Tagesbar — unmittelbar
neben der Lobby — konnten sich fühlen wie zu Hause.
Busch fand das Hotel und sah
sich um.
Gleich daneben liegt der
Blunschli-Platz, der aber wegen seiner geringen Abmessungen eher ein Plätzchen
ist. Man hatte ihn aufgeteilt in Parktaschen für die Hotelgäste. Nur die
durften hier ihre Blechkutschen abstellen; für Anwohner aus den Straßen ringsum
war der Blunschli-Platz off limits (Eintritt verboten). Etwa 40 Wagen
konnten sich aneinander quetschen. Das galt für
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