Der Mörder mit dem grünen Daumen: Ein Kriminalroman mit vielen Gartentipps
Ja“,
bestätigte Elfi. „Ich mag ihn nicht. Ein alter
Egozentriker. Denkt ausschließlich an sich und seine Bonsais.
Wie schnell er sich vom Acker machte, als Lech verunglückt war!
Aber gerade das macht ihn unverdächtig. Er interessiert sich
einfach zu wenig für andere, um sich in deren Angelegenheiten
einzumischen.“
„ Vielleicht hat
sich ja jemand in seine Angelegenheiten eingemischt“, murmelte
Tom und verfiel ins Grübeln.
„ Und jetzt“,
fragte Elfi. „Bist du mit deinem Latein am Ende?“
„ Ihr müsst
doch auch Freunde und Verwandte haben.“
„ Mein Vater hat
niemanden, auf den der Begriff ‚Freund’ zuträfe.
Stan kommt dem noch am nächsten. Ich selbst bin auch nicht so
der gesellige Typ. Und dass meine Mutter nicht mehr lebt, weißt
du ja schon.“
„ Wen zeigt denn
das Familienfoto da hinten?“
„ Oh, das.“
Sie gingen zu dem Bild. „Das sind meine Großeltern,
meine Eltern und ich – das Kleinkind auf dem Arm.“
„ Wer sind die
anderen drei?“
„ Der Mann ist
der ältere Bruder meines Vaters, Albert. Daneben seine Frau
Dina und ihr Sohn Christoph.“
„ Leben deine
Großeltern noch?“
„ Nein. Sie
starben schon vor langer Zeit, bei einem Autounfall. Ich habe sie
nicht mehr richtig kennengelernt, leider. Insbesondere mein Opa –
er hieß Walter – muss ein toller Hecht gewesen sein, ein
echter Selfmademan. Er hat diesen Betrieb praktisch aus dem Boden
gestampft. So etwas imponiert mir. Ich hoffe, mich seiner würdig
zu erweisen.“
Tom musste lächeln.
„Daran habe ich keinen Zweifel – im Gegensatz zu deinem
Vater, wie es scheint.“
„ Ja“,
seufzte Elfi, „er ist halt ein altmodischer, konservativer
Kauz. Er hat seine Mutter sehr geliebt. Elvira soll die perfekte
Hausfrau und Mutter gewesen sein, aber eben auch nicht mehr. Die
Vorstellung, dass eine Frau andere Ambitionen haben könnte als
Kinder, Küche und Kirche, ist nie in seinen Schädel
reingegangen. Das hat meine Mutter – ihr Name war Karin –
sehr unglücklich gemacht. Dass sie an meiner Stelle keinen
männlichen Thronfolger auf die Welt brachte, hat er ihr nie
verziehen.“
„ Das ist ja wie
im Mittelalter.“
„ Tragisch ist
es. Denn ich glaube nicht, dass er im Grunde ein schlechter Mensch
ist. Er kann einfach nicht aus seiner Haut heraus. Karin freilich
war damit nicht geholfen. Sie war eine ganz Sensible. Es mag
lächerlich klingen, aber ich bin fest davon überzeugt,
dass sie am Kummer eingegangen ist – wie eine Pflanze, die
nicht genügend Licht bekommt.“
Die Monotonie, ja
Gleichgültigkeit in Elfis Stimme ließ Tom erschaudern.
Offenbar hatte das Mädchen die intensiven Gefühle, die es
mit diesen Begebenheiten verbinden musste, vollständig getilgt
oder zumindest unterdrückt. Wie sehr musste Elfi ihren Vater
verachten. „Und doch“, dachte Tom, „kämpft
sie um seine Liebe und Anerkennung. Warum sonst studiert sie
ausgerechnet Gartenbau, will den Betrieb übernehmen und in
Großvaters Fußstapfen treten? Sie hängt an
Herrmann, der allein ihr geblieben ist. Sie will ihm etwas beweisen,
und gleichzeitig fühlt sie sich von ihm abgestoßen. Ein
klassischer Fall von Hassliebe.“
„ Was macht denn
dein Onkel Albert?“
„ Treibt sich
irgendwo in der Weltgeschichte herum, soweit ich weiß. Wir
haben seit Ewigkeiten keinen Kontakt mehr zu seinem Zweig der
Familie.“
„ Das wundert
mich.“
„ Weshalb? Es
gibt so viele zerrüttete Familien heutzutage.“
„ Wenn ich dieses
Foto betrachte – sieht nach einer kleinen Dynastie aus.“
„ Ich erinnere
mich nicht mehr an Albert. Mein Vater erzählte mir, dass sie
sehr unterschiedlich seien. Herrmann ist grundsolide, Marke
Buchhalter; Albert dagegen ein Lebemann, ein Abenteurer. Er hat es
nie lange an einem Fleck ausgehalten, ist meistens auf Achse:
Lateinamerika, Afrika, Südostasien. Gemeinsam haben die beiden
Brüder nur den ‚grünen Daumen’. Albert soll
auf seinen Reisen sogar ein paar aufregende botanische Entdeckungen
gemacht haben. Dabei hat er übrigens auch seine spätere
Frau getroffen. Dina ist Brasilianerin.“
„ Dennoch, man
verliert sich doch nicht völlig aus den Augen. Hat es Streit
gegeben?“
„ Nicht dass ich
wüsste. Einen Streit hat mein Vater nicht erwähnt und
meine Mutter hat gar nicht über diese Zeit gesprochen. Als
meine Großeltern starben, war Albert gerade aus Afrika
zurückgekehrt. Dina und Christoph wohnten permanent hier. Auf
die gefährlichen Reisen in die Tropen wollte Albert
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