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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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hing nicht einmal mehr die Hälfte der Stücke, die sie am Morgen dort aufgehängt hatte. Nur ihre Blusen und die Ärmel ihres Morgenrocks flatterten kläglich im Wind und riefen sie herbei. Alles Übrige war weg, ihre bunten Schlüpfer, Büstenhalter, Strumpfhosen und Spitzenmieder. Violaine erkannte, dass mit dem Verschwinden dieser Kleidungsstücke ihr Todesurteil verkündet wurde. Zwar konnte sie nicht zwei Gedanken auf einmal nachgehen, aber dennoch schoss ihr die Wahrheit in den Kopf wie ein Lichtstrahl, bereits in die Form eines Satzes gegossen, den sie nur noch mit leiser Stimme auszusprechen brauchte: »Er möchte, dass es nach einem Triebtäter aussieht.«
    Sie fröstelte, und die Situation erschien ihr endlich in aller Klarheit: Der Schatten hinter den Fensterscheiben, das aufgestellte Moped, ihre Dessous, irgendwo hingestopft, von wer weiß welchen Händen beschmutzt und zerknittert, das schwere Paket in ihren Armen: Mit den verstreuten Figuren dieser Schachpartie würde um ihr Leben gespielt werden.
    Wenn der Mann auf dem Moped hätte wissen können, dass sich das Objekt seiner Begierde während so vieler Stunden leicht zugänglich auf der Rückbank des Autos befunden hatte; wie leicht hätte er es sachte in Besitz nehmen und zurückfahren können, so wie er gekommen war. Aber da er nicht mehr war als ein gefügiges Instrument des Schicksals, hatte er bei seinem Weg am Cabriolet vorbei keine Eingebung gehabt, kein Gedanke hatte ihn gestreift, und dabei war er so nahe an dem Wagen vorbeigekommen, dass er ihn hatte berühren müssen.
    Violaine stöhnte auf, als sie ihre Machtlosigkeit erkannte. Ihre Fähigkeiten waren durch den Alkohol stark eingeschränkt. Sie konnte nicht einmal daran denken, ihren Rausch mit Hilfe einer kalten Dusche zu vertreiben, denn die Rückkehr ins Haus war ihr verwehrt. Der blödsinnige Lachkrampf schüttelte sie immer wieder, sodass sie zu schluchzen schien.
    Und dennoch wusste sie – und dieser Gedanke machte sie wahnsinnig, da sie verzweifelt versuchte, ihn weiter zu verfolgen –, dass es eine Lösung gab, dass ihr ein Mittel blieb, dem Tod zu entfliehen. Das Auto? In dem Zustand der Betrunkenheit, in dem sie sich befand, wäre sie im ersten besten Graben gelandet. Der Eindringling, der in ihrem Haus umherschlich, hätte nur noch kommen und sie schnappen müssen.
    Sie suchte, so wie man in einem Traum nach etwas sucht und dabei gleichzeitig weiß, dass man das Gesuchte in Wirklichkeit gar nicht verloren hat.
    »Das Gewehr!«
    Sie schrie dieses Wort fast. Hastig stellte sie das Paket am Rand der Motorhaube ab und schleppte sich, ohne die Hände von der Karosserie zu nehmen, auf die sie sich stützte, bis zur Hinterseite des Autos. Sie benötigte drei Anläufe, um die Haube des Kofferraums hochzuheben. Normalerweise öffnete sie ihn nie. Er enthielt immer noch dieselben Dinge wie fünf Jahre zuvor, als sie noch die Geliebte des (inzwischen verstorbenen) Notars war und als dieser unbedingt eine Jägerin aus ihr hatte machen wollen, weil er Frauen in Stiefeln schätzte, die einen leichten Geruch von Unterholz verströmten.
    Aus dieser Zeit war ihr noch eine Doppelflinte geblieben, in einer luxuriösen Hülle, auf der Hersteller und Widmung verzeichnet waren: chez Henry und Zur Erinnerung. Er hatte sie ihr geschenkt, zusammen mit einer wohlgefüllten Patronentasche. All diese Dinge schliefen fest in den Tiefen ihres Cabriolets und warteten auf die passende Gelegenheit zu ihrer Erweckung. Jetzt war sie da, die passende Gelegenheit. Aber Violaine fragte sich angstvoll, ob sie zu der Klarheit zurückfinden würde, die sie brauchte, um die zu einer wirksamen Verteidigung notwendigen Bewegungen auszuführen.
    Das Gewehr aus der Hülle zu nehmen, die Läufe abzukippen, mit zitternden Händen eine Patrone in jeden Lauf zu schieben und dabei mit den Zähnen zu klappern, all dies beanspruchte mehrere Minuten. Sie rang nach Luft, schnaufte wie ein alter Mann und versuchte, ihre fortdauernde Übelkeit durch Rülpsen loszuwerden. Sie war sich darüber im Klaren, dass der kurz zuvor hinuntergestürzte Becher Wodka ihr den Rest gegeben hatte. Im Übrigen war sie noch nie in diesem Zustand der frischen Nachtluft des Talkessels ausgesetzt gewesen.
    Sie war hin-und hergerissen zwischen Angst, wilder Entschlossenheit und der unwiderstehlichen Versuchung, alles zu vergessen und ihre Füße in den Bach zu tauchen. Angesichts ihrer eigenen Dummheit überkam sie die Wut. So heftig sie konnte, schlug

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