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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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davor und mühte sich gerade, in einer albernen Verbeugung an ein weit entferntes Tablett mit gefüllten Windbeuteln zu gelangen. Sie nahm einen davon und legte ihre Maske ab. Zum Vorschein kam ein rundes Puppengesicht mit einer Stupsnase, die auf eine schmollende und ein wenig gelangweilte Sinnlichkeit schließen ließ. Laviolette war hingerissen.
    Sie stand direkt vor ihm, doch galt das auch für den Pionier, der unablässig wie gebannt auf die grüne Göttin starrte, die ihn mit einem Trommelwirbel herauszufordern schien. In einem letzten Reflex seines Pflichtbewusstseins streckte Laviolette den Arm nach der Pelzmütze des Pioniers aus, um sie herunterzureißen. Ein rückwärts taumelndes Paar rempelte ihn an, und sein Griff ging ins Leere. Das Mädchen mit dem runden Gesicht drehte sich schlagartig zu ihm um. Verschmitzt und spielerisch seifte sie seine Maske mit der übrig gebliebenen Schlagsahne aus dem Windbeutel ein, den sie inzwischen schon fast vertilgt hatte.
    Im nächsten Moment blendete ein gleißend heller Blitz die Menge. Das Geräusch reißenden Stoffes folgte unmittelbar darauf. Die Scheinwerfer, die Lichterketten und die elektrischen Kerzen fingen an zu flackern und erloschen schließlich. Der Saphir des Plattenspielers schrammte noch kurze Zeit jaulend durch eine Rille, dann verstummte auch er. Die einfallsarme Rhythmusgruppe, der Saxophonspieler und der Hornist konnten ihre Noten nicht mehr lesen und versuchten es mit Improvisationen und scheiterten kläglich damit.
    Nur die unbeirrbare Trommlerin schlug weiter ihren Wirbel. Nun, da sie allein den Dialog mit den Donnerschlägen bestritt, die die Scheiben zum Erzittern brachten, und mit dem Prasseln der Hagelkörner, die den Gästen selbst durch die Mauern hindurch die nahe gelegenen Schluchten und den Bès in Erinnerung riefen, hätte man meinen können, sie tönte lauter, wütender als zuvor, als wolle sie eine Kampfansage übermitteln oder eine düstere Aufforderung zum Tanz. Mit ihrem fordernden, unregelmäßigen und herrischen Schlagen schien sie dafür sorgen zu wollen, dass man ihren Standort inmitten der Dunkelheit, die nur durch das Licht der Blitze unterbrochen wurde, genau ausmachen konnte.
    Die einsame grüne Göttin, deren grüne Blütenkrone sich bei jedem Blitzschlag in einen Strahlenkranz verwandelte, rührte sich immer noch nicht. Im immer gleichen teuflischen Rhythmus bearbeitete sie ihre Trommel.
    Währenddessen bemühte sich Laviolette, von der Dunkelheit ermutigt, immer noch, an das Mädchen heranzukommen, das ihn so in seinen Bann gezogen hatte. Er machte einen Schritt nach vorn. In diesem Augenblick stieß ihn jemand zur Seite, jemand, der den charakteristischen Geruch von Kamillentee ausströmte. Der Lichtblitz, der kurz darauf auf ihn fiel, hob die Wirkung seiner ausgefallenen Kostümierung auf.
    Schlagartig kam Laviolette die Erleuchtung. Er holte seine Taschenlampe hervor, um dem Pionier ins Gesicht zu leuchten. Doch die Taschenlampe war überflüssig, da ein weiterer Blitz den Saal erhellte.
    Der Mann war verschwunden. Laviolette versuchte vergeblich, die Taschenlampe anzuschalten. Die Batterien waren fast leer. Er konnte ihr nur noch einen schwachen Lichtschein entlocken.
    »Chabrand!«, rief Laviolette.
    In seiner Stimme lag ein Anflug von Panik. Er war fest davon überzeugt, dass sich hier und jetzt, in seiner Gegenwart, etwas Schreckliches ereignen würde. Es folgte ein neuer Blitz. Am Ende des Saals erkannte er den Rücken des Pioniers, der sich ruhig und gemächlich auf das Mädchen in Grün zubewegte. Laviolette zwängte sich weiter durch die Menge und stolperte dabei über ein Paar, das sich auf dem Boden der Liebe hingab, und schlug hart auf den Steinplatten auf, sodass sich die Maske von seinem Kopf löste.
    In diesem Augenblick verstummte die Trommel. Laviolette glaubte ein Röcheln zu vernehmen.
    Im nächsten Moment ging ein Raunen der Angst durch die Anwesenden. Wie von einer gewaltigen Welle ergriffen bewegte sich die Menge gleich einer Viehherde in wilder Flucht inmitten der von Blitzen erleuchteten Dunkelheit und der durch Donnerschläge unterbrochenen Stille auf den Ausgang zu. Paarweise aneinander gepresst drängten sie in wildem Durcheinander zur Tür. Sie wurden gegen die Tür gedrückt, die nach innen aufging, und es bedurfte einiger lauter Kommandos, um so viel Platz zu schaffen, dass sie sich öffnen ließ. Kirschgroße Hagelkörner schlugen der Menge entgegen. Spitze Schreie, die einem das Blut in

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