Der Mörder mit der schönen Handschrift
den Adern erstarren ließen, wurden von Fliehenden ausgestoßen, die zu Boden stürzten, sich fest aneinander klammerten oder sich wütend gegenseitig wegstießen.
Das war keine gewöhnliche Panik. Die Dunkelheit, die plötzliche Stille, das wütende Unwetter und die Flut von Hagelkörnern konnten der Panik Nahrung gegeben haben, aber sie musste durch einen anderen Anlass ausgelöst worden sein.
Darüber dachte Laviolette nach, während er, alle viere von sich gestreckt, auf dem Boden lag. Die Leute trampelten und stolperten über ihn hinweg und stießen ihm ihre Füße in die Rippen. Jemand brach über ihm zusammen und fiel der Länge nach auf ihn. Ein Körper lag auf seinem Kopf und seinem Oberkörper; er sah, dass es sich um eine Frau handelte. Es war jedoch nicht das füllige Mädchen. Er hatte sie bereits vergessen. Wenn man um die Luft zum Atmen kämpfen muss, erhält selbst die Erotik einen unangenehmen Beigeschmack. Laviolette grub seine Fäuste in das elastische Fleisch, das auf ihm lastete (was grelle Schreie auslöste), und stieß den Körper so weit wie möglich von sich.
»Chabrand!«, rief er erneut.
Der Richter musste wohl anderweitig beschäftigt sein; vielleicht übertönten aber auch die Schreie, die Donnerschläge, die niedergehenden Hagelkörner, das Motorgeheul der wegfahrenden Mofas seine Rufe.
Mit einem kräftigen Schulterstoß räumte Laviolette zwei Maskierte aus dem Weg, die mit ungeschickten Bewegungen versuchten, sich wieder anzuziehen. Er ruderte mühsam durch die am Boden liegenden Gäste, die so schnell nicht wieder zur Flucht auf die Beine kamen, da die Wirkung des Wunderkrauts mit Verzögerung eingetreten war und die Tätigkeit ihres Gehirns verlangsamte.
Er erreichte die grüne Heldin dank des Lichtscheins der Blitze. Sie lag tot auf den Steinplatten, vollkommen unversehrt, wie aus Marmor. Sie hatte blaue, weit geöffnete Augen, in die das Licht der Blitze Leben zu bringen schien. Die Spitze ihrer rosa Zunge ragte zwischen ihren Lippen hervor. Man hatte sie mit Hilfe einer einfachen, kunstlos zu einem Strick geflochtenen Wäscheleine erdrosselt. Die behelfsmäßig angefertigte Galgenschlinge hatte sich gelöst und hing wie eine Kette um den Hals der Toten. Ihre Karnevalsmaske lag verformt neben ihr in einer umgeworfenen Salatschüssel; in der allgemeinen Panik, die der Entdeckung der Toten folgte, war das auf den Böcken angerichtete Büfett umgestoßen worden, sodass die halb leer gegessenen Teller und Schüsseln nun auf den Steinplatten lagen; nur die Schlägel, die noch einige Augenblicke zuvor der Trommel den Wirbel der Schamade entlockt hatten, lagen wohlbehalten inmitten dieses unappetitlich anzuschauenden Bildes.
Die Trommel jedoch, deren Riemen den ganzen Abend hindurch die Hüften des Mädchens so aufreizend betont hatten, war verschwunden.
»Chabrand!«, rief Laviolette ein weiteres Mal.
»Schreien Sie nicht so, ich bin ja hier!«
Und da war er tatsächlich, in nächster Nähe, ebenfalls über den toten Körper gebeugt, der noch nichts von seiner verführerischen Ausstrahlung eingebüßt hatte.
»Was für ein Jammer«, seufzte Chabrand.
»Kommen Sie! Mir ist jetzt alles klar!«
»Ihnen ist alles klar?«
»Ja. Ich glaube es zumindest. Der Mörder hat nicht mehr als fünf Minuten Vorsprung. Alles deutet darauf hin, dass er mit einem Mofa weggefahren ist. Wir müssen ihn zu fassen kriegen! Wenn wir ihn nicht kriegen, können wir uns gleich in den Bès stürzen! Wir haben einen unverzeihlichen Fehler gemacht! Hören Sie?«
Er wiederholte: »Einen unverzeihlichen Fehler! Absolut unverzeihlich!«
Laviolette fuchtelte wild durch die Luft, während er die von den Blitzen erleuchtete Treppe hinaufstieg. Chabrand versuchte ihm zu folgen. Er sah nur auf einem Auge, denn seine Brille war in der Panik auf den Boden gefallen, und als er sie wieder gefunden hatte, fehlte eines der Gläser.
»Warten Sie! Ich möchte wenigstens meinen Mantel überziehen.«
Zwischen den zertretenen Masken, die Kalbs-, Kriegerwitwen-, Admiralsköpfe oder Tonpfeifen darstellten, lag der Carrick des Richters mit zahlreichen Fußabdrücken versehen auf den Steinplatten. Noch schlimmer hatte es Laviolettes Hut erwischt; er war von einem der Türflügel buchstäblich plattgewalzt worden.
Beide nahmen sie ihre Kleidungsstücke mit den altgewohnten Bewegungen in die Hand, klopften den Staub ab und brachten mit diesen alltäglichen Verrichtungen auf komische Weise ihren Wunsch zum Ausdruck, die
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