Der Mörder mit der schönen Handschrift
durch ein Schlüsselloch zu zwängen.
Wenn die Natur sich die Mühe gemacht hat, einen solchen Ort, einen solchen geologischen Schauplatz zu schaffen, der auf engstem Raum ihre Geheimnisse zeigt, dann kann man sicher sein, dass sie es nicht dabei bewenden ließ, dass sie sich vielmehr zur Erbauung der Menschen noch an den unbedeutendsten Einzelheiten versucht hat.
Wer kann beispielsweise leugnen, dass bis vor nicht einmal hundert Jahren alle Ziegen im Tal des Bès noch drei Hörner hatten?
Die durchreisenden Bas-Alpins hielten das nicht etwa einfach für eine Laune der Natur; sie sahen darin vielmehr ein Alarmzeichen, und wenn irgendeine Angelegenheit sie in die Gegend führte, schlugen sie vom Beginn der clues an auf ihre Zugtiere ein und trieben sie schimpfend an, bis sie in die Gegend von Verdaches gelangten, wo auf wundersame Weise die Landschaft plötzlich ihren ungewöhnlichen Charakter verliert.
Bis 1860 etwa erzählten oft Leute, die nachts die clues passierten, dass irgendwo zwischen Himmel und Erde – sie vermochten es nie genau zu sagen – ein für Ketzer bestimmter Scheiterhaufen still gebrannt habe, knackend und Funken sprühend. Manchmal hätten sie dumpfe Explosionen gehört, doch sie konnten nie genau feststellen, wo es herkam. Und wenn man sie fragte, woher sie diese absurde Gewissheit hätten, dass es sich ausgerechnet um einen für Ketzer bestimmten Scheiterhaufen gehandelt habe, so antworteten sie, dass ihnen genau diese Bezeichnung in den Sinn gekommen sei, als sie ihn prasseln hörten.
Meist waren es Viehhändler mit roter Säufernase, die das erzählten, mit einem halb zugekniffenen Auge, um zu sehen, wie weit man ihnen Glauben schenkte: des Lesens und Schreibens unkundige Straßenarbeiter, die von der Fürsorge aufgezogen worden waren; Zigeunerpärchen zu Fuß, die im müden Rhythmus ihres alten Kleppers ihren armseligen Zirkus von Weiler zu Weiler schleppten; oder verschlagene Hausierer mit unruhigem Gewissen; kurz und gut, wenig Vertrauen erweckende und nicht gerade aufgeklärte Leute, die diese Wunder gesehen haben wollten.
Doch befanden sich – und sogar öfter – auch andere Personen darunter: ein magerer, bleicher Steuereinnehmer auf seiner klapprigen Mähre, der von einer Treibjagd zurückkam, oder ein Gerichtsvollzieher, der mit Pflastern vollgeklebt von einer turbulenten Zwangsvollstreckung heimkehrte. Und einmal, aber nur ein einziges Mal, war es ein Pfarrer, der das heilige Sakrament zu einem Kranken gebracht hatte (und daran sieht man, wie gut er mit dem nicht unbegründeten Gerücht von einer Feuersbrunst vertraut war, das im Tal umging). Dieser Pfarrer verlor niemals ein Wort darüber, aber sein Gehilfe konnte nicht an sich halten. Sobald sie an den Ort der Stille gelangten, an dem schlicht und einfach ein Mensch im Sterben lag, ließ er sich jedem gegenüber lang und breit darüber aus, und die Zähne klapperten ihm dabei immer noch.
Seither haben natürlich die sehr realen und logisch erklärbaren Schrecken unserer Zeit die eingebildeten Ängste zerstreut, an denen sich die einfachen Seelen von damals schadlos hielten. Aber wenn die Dinge verstummen, so bedeutet das nicht, dass es sie nicht mehr gibt.
Laviolette stand vor einem Rätsel aus Fels, wo Klänge, Farben und Formen sich mit dem Rauschen des Bès vereinigen, um dem Menschen die kalte Ewigkeit verständlich zu machen, von der er ausgeschlossen ist. Um es genauer zu betrachten, verrenkte er sich fast den Rücken. Er hatte völlig vergessen, was er hier eigentlich wollte.
Der Tag neigte sich und färbte die fossilen Meeresschnecken in den Felswänden goldbraun. Die Kälte, die die Schlucht plötzlich erfüllte, vertrieb Laviolette aus dieser Einsamkeit. Er lief hastig zum Auto zurück und kurbelte alle Fensterscheiben hoch. Er ließ den Wagen an und fuhr aus den clues heraus in ein mit Aquarellfarben gemaltes Land, wo magere Sumachsträucher mit ihren goldbraunen Blättern das Geröll und die Dolinen schmückten und wo einige wenige von Pappeln umsäumte Gehöfte die vereinzelten, von Schlehdorn begrenzten Ackerflächen nutzten.
Unter dem Blayeul erstreckte sich eine ganze Reihe runder Hügel, die in unglaublicher Haltung festgehalten, zusammengeschoben und dann plötzlich erstarrt waren, hochgeschoben oder nur aufgequollen. Sie waren der dräuende Rand eines Wirbelsturms gewesen, der plötzlich in der Kälte erstarrt war und sich dann in der Zeit verloren hatte. Denn von hier aus zieht sich dieses Land, das
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