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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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Postgeheimnis sehr genau, und selbst wenn sie durch die Gerichtsbehörden zur Aussage gezwungen würde, wäre eine Posthalterin, die zu viel Eifer bei der Beobachtung eines Kunden zeigte, selbst wenn es sich um einen Mörder handelte, nicht gut angeschrieben. Eine Posthalterin ist wie die Frau des Kaisers: Schon der geringste Verdacht setzt sie dem öffentlichen Misstrauen aus.
    Und dennoch … Diese Pflichtlüge war noch nicht das Schlimmste für Félicie. Am vergangenen Mittwoch war der Emile Pencenat gegen fünf Uhr, als sich der Tag neigte, plötzlich vor ihr aufgetaucht, bleich und verstört. Ein Pencenat, der wie ein Schlafwandler den Türgriff gedreht hatte, ohne einen Laut zu verursachen, zum Schalter getaumelt war und der mit tonloser Stimme eine Briefmarke für den Umschlag in seiner Hand verlangt hatte. Und dann war er wieder hinausgewankt, mit diesem unwirklichen Gang, als sei er in künstlichen Schlaf versetzt worden.
    Dann hatte Félicie das raschelnde Geräusch eines eingeworfenen Briefes gehört und war zum Korb gestürzt, um das eben eingeworfene Schreiben wieder herauszuholen. Doch sie trug es zwischen zwei Fingern, wie mit einer Pinzette. Sie hatte es vor sich auf den Schreibtisch gelegt und es untersucht, ohne es dabei zu berühren. Natürlich war da, sie hatte es nicht anders erwartet, wieder dieselbe große, schöne, regelmäßige Schrift, die man nur noch als Aufschrift über dem Laden eines Friseurs oder einer Modeboutique findet, tiefschwarz wie auf einem Beileidsbrief. Nur lautete die Aufschrift diesmal anders, der Brief war für eine andere Person bestimmt:
    Madame Ambroisine Larchet Villa des Cèdres Route de Gaubert Digne (Basses-Alpes)
    Mit einem furchtbaren Gefühl im Bauch stempelte die Félicie den Brief ab und steckte ihn in den Postsack, der noch am selben Abend mit dem Bus des Grand Magne nach Digne gebracht werden würde. Sie hatte das Gefühl, selbst das rostige Bajonett, von dem die Zeitung sprach, in die Brust dieser Ambroisine Larchet zu stoßen, wer auch immer das sein mochte.
    Seither zog sie jeden Morgen mit zitternden Fingern den Provençal des Obersten Moutiers aus seiner Banderole. Bis zu diesem Tag war nichts passiert, aber das Zittern ihres Fleisches hörte praktisch nie auf, nicht einmal in den Armen des Grand Magne, der sie immer wieder in eine Kammer zu drängen versuchte. Bisher ohne Erfolg, aber seit einigen Tagen schöpfte er Hoffnung, weil er dieses Zittern für aufkeimende Begierde hielt.
    In diesem Zustand inneren Aufruhrs, immer wieder von Wellen der Angst geschüttelt, sah sie an jenem Abend eine vermummte Gestalt hereinkommen, die aussah wie ein Baumstamm und eine kleine Ewigkeit brauchte, um die Tür zu öffnen. Er zog höflich seinen lächerlichen Hut und kam näher.
    »Noch so einer!«, dachte Félicie.
    Da sie gelegentlich in den Illustrierten blätterte, wusste sie, wie alle möglichen Bullen aussahen, und konnte so feststellen, dass der Mann, der gerade hereingekommen war, einer von der Sorte sein musste. Und in der Tat hatte er bei der Zusammenstellung seines Äußeren nicht gerade viel Phantasie bewiesen. Er sah aus wie jedermann, nur in seinem Blick lag ein bisschen mehr Melancholie.
    »Ich bin schon dreimal verhört worden!«, bemerkte sie.
    Laviolette hatte schon immer eine Schwäche für üppige Frauen gehabt. Er beugte sich wohlwollend über ihre Brüste, von denen jede wohl an die drei Kilo wiegen mochte. Er wagte sogar ein schiefes Kompliment, in das sich eine kleine Anspielung auf ihre Rundungen und ihre Fülle geschlichen hatte.
    »Der ist kein Polizist«, entschied sie.
    Er kaufte eine Briefmarke und fragte nach der Telefonzelle. Sie dachte, dass er im Leben nicht da hineinpassen würde, mit seinem Überzieher, seinem Filzhut und seiner Körperfülle, die an einen Baumstamm erinnerte. Langsam fand sie ihn sympathisch.
    Er rief in der Villa Popocatepetl an. Die melodische Sopranstimme der alten Chabassut drang durch die Scheiben der Telefonzelle bis zu Félicies Ohren.
    »Ich werde heute Abend nicht nach Hause kommen«, teilte Laviolette seiner Haushälterin mit. »Lassen Sie den Teller für Rodilard auf dem Kühlschrank, und blockieren Sie die Küchentür, damit er rein kann.«
    Er hatte sich gerade entschieden, die Nacht in Barles zu verbringen.
    Die Stimme der alten Chabassut am anderen Ende der Leitung wurde noch spitzer. Allein der Name Rodilard versetzte sie in höchste Erregung.
    Rodilard war ein Kater, der fast sieben Kilo auf die

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