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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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gewohnten Lauf genommen, wenn die Pilzsaison nicht ungewöhnlich lange gedauert hätte.
    Nun aber geschah es eines schönen Tages, dass sich Monsieur Fondère ein köstliches Gericht aus Rötlingen zubereitete, und da er nicht alle auf einmal essen konnte, hob er einige davon auf, um später ein Omelette daraus zu machen. Diese Portion stellte er, mit einem umgedrehten Teller bedeckt, in seinen alten Kühlschrank. Das Omelette, das er sich am nächsten Tag zubereitete, war als Nachtmahl gedacht.
    Nun lassen sich Rötlinge leider, wenn sie erst einmal gekocht sind, nicht mehr von ihren Verwandten, den Riesenrötlingen unterscheiden. Letztere sind nicht unbedingt tödlich giftig, wie in verschiedenen Nachschlagewerken nachzulesen ist, die allerdings unterschiedliche Meinungen vertreten. Wenn nun aber jemand ein übles Leben geführt hat und hin und wieder mit ein paar Jahren Gefängnis und schmerzlichen Entbehrungen bestraft wurde; wenn jemand eine Nase voller geplatzter Äderchen aufweist, die auf eine Leber im Endstadium hindeutet, dann handelt es sich bei ihm um eine jener Ausnahmen, die den Gebrauch des vagen Adverbs nicht unbedingt rechtfertigen. Nach Aussage derer, die die zweite Sorte vorsichtig probiert haben, ist diese noch schmackhafter als die erste; was einen so hervorragenden Kenner wie Monsieur Fondère eigentlich hätte stutzig machen müssen.
    Was den Rest angeht … Wer kann das wissen? Eine fatale Verwechslung? Oder lauerte an dem Abend, als Fondère seinem Gefährten Combaluzier vom Auftritt dieses gespenstischen Pioniers berichtete, doch jemand in den Gräsern, die sich scheinbar im Wind bewegten? Hatte vielleicht jemand hinter dem Steg am Bewässerungskanal gelauscht, von wo ein Geräusch herzukommen schien?
    In diesem Fall war es vielleicht eine verzogene Tür, die nie abgehobelt wurde, weil es zu teuer gewesen wäre, und die man nur ein wenig drücken musste, um sie zu öffnen. Eine kurze, aber verhängnisvolle Abwesenheit, die sich jemand zunutze machte, der davon wusste, dass Fondère hin und wieder vertrauten Umgang mit der Grimaude, der Mutter Françoises , pflegte. Schließlich braucht man nicht sehr lange, um einen Teller mit essbaren Pilzen gegen giftige auszutauschen. Und im Übrigen hätte die tiefe Einsamkeit, die tiefe Einöde einer Nacht in Barles, das ihrige getan, um die Anonymität eines klugen Mörders zu wahren.
    Oft bedarf es lediglich einer gewissen Phantasie, um jemanden mit Bedacht und ohne großes Aufsehen zu töten.
    Wie dem auch sei; der Briefträger, der ein Einschreiben für ihn hatte, fand Monsieur Fondère tot in seinem eigenen Erbrochenen liegend auf. Da die Tür klemmte, hätte er sich dagegen werfen müssen, um sie zu öffnen und um Hilfe zu rufen, doch dazu hatten seine Kräfte wahrscheinlich nicht mehr gereicht.
    Man sagte, er habe einen schönen Tod gefunden. Man sagte, dieser hinterhältige Geizkragen sei genau damit bestraft worden, womit er seine größten Gemeinheiten begangen hatte. Jedenfalls trauerte man kaum um ihn. Nun würden auch wir wieder ein paar Pilze während der Saison essen können, wie wir es früher getan hatten. Man hätte ihn sicherlich nicht deswegen umgebracht, aber jetzt, da das nun einmal einer für uns erledigt hatte, gab es keinen Grund, sich wegen eines so geringen Anlasses Asche aufs Haupt zu streuen. Niemand glaubte ernsthaft, dass Monsieur Fondère ein Irrtum unterlaufen war. Selbst die Statistik widerspricht dieser Möglichkeit, denn in Barles stirbt durchschnittlich alle vier bis fünf Jahre ein Einwohner. Doch nun waren es Schlag auf Schlag zwei, innerhalb einer Woche. Von nun an stand die Tür der Mutmaßungen weit offen.
    Man war von dem zweiten Todesfall, der in so kurzem Abstand zum ersten eingetreten war, derart überrascht worden, dass man sich eine Schwierigkeit eingestehen musste: Der Friedhof war buchstäblich voll, es war keine Ruhestätte auf Gemeindeboden mehr verfügbar. Die Behörde hatte ein Auge auf Pencenats Grab geworfen, das noch immer ausgehoben, aber nicht fertig gestellt war. Prudence, die man respektvoll um eine Genehmigung ersuchte, willigte ein, dass Monsieur Fondère dort beigesetzt werde. Schließlich konnte sie ihrem verblichenen Ehemann einen Streich damit spielen, dass sie einen fremden Eindringling in seinem so sorgfältig vorbereiteten Grab bestatten ließ.
    »Ein Mörder wohnt immer der Beerdigung seines Opfers bei.« Allein an der großen Anzahl von Polizisten, die das Gebiet überwachten,

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