Der Mörder mit der schönen Handschrift
konnte Barles ermessen, was es mit dieser Redensart auf sich hatte. So gab es nicht einen Einwohner, der der Beisetzung fernblieb. Sogar die Grimaude schloss das Café, schob Françoise vor sich her, und machte sich auf den Weg.
Unter der Menge befand sich auch ein Paar mittleren Alters, sehr elegant gekleidet, das aus Seyne oder von noch weiter hergekommen war; von so weit jedenfalls, wie der Morchelsammler zu Lebzeiten hatte gehen müssen, um seine bescheidene Rente entgegenzunehmen.
Es hat schon immer merkwürdige Leute in diesem merkwürdigen Landstrich gegeben. Der Mann war mit altmodischer Eleganz gekleidet, als ob er einem Bild des 19. Jahrhunderts entstiegen wäre, mit Gehrock, geknöpften Stiefeletten und einem gefalteten Halstuch als Plastron. Was die Frau anbetraf, so trug sie Pumps und beige Seidenstrümpfe; ihr geschmeidiger Körper war in ein flaschengrünes Reitkostüm gehüllt, das aus einem Stoff gefertigt war, wie man ihn schon seit über fünfundsiebzig Jahren nicht mehr webte. Unter einer großen breitkrempigen Haube, die mit Heckenrosenblüten verziert war, versteckte sich das Geheimnis eines spitzen rosigen Gesichts, das in Anmut gealtert war.
Die Gesichtszüge dieser Gestalten waren von einer den Umständen angemessenen Trauer umschattet, doch konnten sie nicht umhin, sich hin und wieder gegenseitig voller Glück zu betrachten, und ihre Augen strahlten vor Freude über das schöne Wetter.
Prudence, die stets alles aufmerksam beobachtete und die pflichtschuldig jeden Tag das Grab ihres verstorbenen Mannes aufsuchte, um dort seiner zu gedenken, berichtete, sie habe das Paar am Tag nach der Bestattung wieder getroffen.
»Ich hatte den Eindruck«, sagte sie, »sie würden das Grab unter die Lupe nehmen, als ob sie befürchteten, es könnte nicht richtig verschlossen sein. Nun … so sah es zumindest aus.«
Auch der Grand Magne hatte die beiden wieder gesehen, auf der Maultiermesse in Seyne, wo sie sich ein Tier aussuchten.
»Wie verklärt!«, sagte er. »Um Jahre verjüngt, um viele Jahre! Und diesmal todschick angezogen! Ich meine, modern. Anscheinend haben sie diesmal die Kleider nicht vom Speicher geholt. Aber eines ist mir aufgefallen: Er hat eine Zigarre mit Ring geraucht, und dieser Ring (ich habe es genau gesehen, ich habe direkt neben ihm gestanden), also dieser Ring, der war nicht aus unserer Zeit! Ich hab schon mal so einen gesehen, von einer Zigarre, als ich klein war, in einer Schachtel, die man mir gegeben hat, um mir die Langweile beim Tod meines Großvaters zu vertreiben.«
Das erzählte der Grand Magne bei der Kartenrunde des Lehrers, an der nun auch er als vierter Mann mit von der Partie war, als Nachfolger von Monsieur Fondère. Zwei Nächte pro Woche verbrachte er im Bett der beleibten Félicie, doch aus Schamgefühl verwehrte sie ihm den Zutritt vor Mitternacht, und so fand er es ganz angenehm, sich die Zeit bis dahin auf diese Weise zu vertreiben.
»Ach komm! Beim Tod deines Großvaters!«, schimpfte der charcutier d’amour. »Willst du uns etwa weismachen, das Pärchen sei nicht aus unserer Zeit? Du bist wohl ein bisschen plemplem!«
Der Grand Magne legte seine Hand auf die Brust, direkt aufs Herz.
»Ich sage, was ich weiß! Ich erzähle, was ich gesehen habe! Frag mich nicht, was vorher war, und verlang nicht von mir zu sagen, wie es nachher sein wird. Das weiß ich nicht, ich habe keine Phantasie! Aber da du mich schon angreifst, will ich dir eines sagen: Dieses Pärchen da hat bei der Beerdigung nach getrocknetem Lavendel gerochen!«
»Ach komm! Nach getrocknetem Lavendel!«
Der Grand Magne knallte ein Karo-Ass auf den Tisch, obwohl er sicher war, dass er es nicht durchbringen würde.
»Genau was ich sage!«, betonte er eigensinnig, »nach getrocknetem Lavendel. Als ob sie in einem Schrank eingesperrt gewesen wären!« Mit einer Handbewegung nahm er seine Karten auf und befeuchtete seinen Daumen, um sie übersichtlich anzuordnen. Durch einen flüchtigen Seitenblick stellte er mit Genugtuung fest, dass die Mitspieler an seinen Lippen hingen. »Oder in einem Sarg!«, fügte er mit düsterer Stimme hinzu, um ihnen den Rest zu geben.
Er betrachtete misstrauisch den charcutier d’amour, der mit stumpfem Gesichtsausdruck dasaß und anfing, schlappzumachen.
»Nun meckere nur nicht wieder!«, fuhr er fort. »Jeder hat die zwei bei der Beerdigung bemerkt. Da gibt’s nichts zu meckern: Jeder hat gesehen, wie sie angezogen waren, nämlich so, als ob sie gerade bei
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