Der Mörder mit der schönen Handschrift
Sie mich! Machen Sie ja nicht das Licht an! Machen Sie schnell wieder zu! Schnell! Die wollen mich umbringen!‹
Er hielt sich das Kreuz. Er hatte einen Stoß mit der Gabel in den Hintern abbekommen. Zum Glück war es nur eine hölzerne Gabel, wie man sie zum Heuwenden braucht, aber wenn jemand mit der entsprechenden Wut zusticht, muss so etwas ganz schön wehtun. Mein Vater behandelt ihn mehr schlecht als recht mit Arnika und Baume tranquille, einem schmerzlindernden Balsam, und lässt sich dabei das Wichtigste erklären. ›Wo haben Sie sich das eingehandelt?‹, fragt er ihn. ›Und warum wollen die Sie umbringen?‹ ›Ich war mit der Nichte der Guirands zusammen auf dem Heuboden‹, sagt er zu meinem Vater. ›Die Tür geht nicht richtig zu. Der Onkel hat schlecht geschlafen. Die Marguerite muss wohl ein bisschen zu laut gestöhnt haben …‹
Genau in diesem Moment kommt der Pfarrer und bekreuzigt sich, als er das hört. Aber für Bußpredigten blieb keine Zeit. Sie waren etwa zu zehnt da unten und versuchten gerade, die Tür mit den Stielen der Heugabeln einzuschlagen. Der Pfarrer zeigt sich in der Luke. Er sagt ihnen das Nötige, in einer Sprache, die sie verstehen, und tunkt ihnen die Nasen kräftig in die eigene Kacke. Er sagt ihnen zum Beispiel, dass sie es ja nicht wegen der Sache an sich auf den da abgesehen hätten, sondern nur, weil sie alle das Gleiche mit der Mar guerite hätten treiben wollen. ›Wir alle?‹, protestierten sie lauthals. ›Jawohl! Ihr alle! Sogar der Onkel!‹ ›Oh!‹, raunten sie, ›Oh!‹ ›Da gibt’s kein oh!‹, sagte der Pfarrer. ›Und im Übrigen ist Doktor Pardigon gerade dabei, den Mann zu verarzten. Wir wissen nicht einmal, ob er durchkommen wird. Der Arzt sagt, er habe vielleicht Tetanus!‹«
Der Alte hielt inne, um leise zu lachen.
»›Der Pfarrer war ein schlauer Hund!‹, sagte mein Vater. Und wenn Sie sich vergegenwärtigen, dass sich diese Szene in Abriès abspielte, mitten im Januar, und dass alle diese braven Leute, die durch das Geschrei des Onkels herbeigerufen worden waren, kaum Zeit gefunden hatten, ihre Hosen richtig anzuziehen, werden Sie verstehen, dass sie die Worte des Pfarrers nicht ohne Zerknirschung über sich ergehen ließen, unvollständig bekleidet, mit den Füßen im Schnee. ›Gut‹, sagten sie, ›gut! Behalten Sie ihn! Aber dass wir ihn morgen ja nicht mehr in Abriès vorfinden, sonst tauchen wir ihn so lange in den Brunnen, bis er steif ist! Lassen Sie sich das gesagt sein!‹ Und weil sie nicht an einer Lungenentzündung krepieren wollten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als wieder abzuziehen.«
»Hat Ihnen Ihr Vater oft solche Geschichten erzählt?«, fragte Laviolette beiläufig.
»Nein, nicht oft«, räumte Pardigon nachdenklich ein. »Aber diese da mindestens zehnmal, lieber als alle anderen. Und er war voll von Geschichten. Warum gerade diese? Nun gut«, sagte er, »weil es dabei um eines der größten Schuldgefühle seines Lebens ging. Und Sie werden auch schnell sehen, warum …«
Aber so schnell ging das nicht. Dieses Mal musste Doktor Pardigon eine große Portion ausspucken, so viel mit Nikotin angereicherter Speichel hatte sich in seinem Rachen angesammelt. Dann musste er unbedingt seine Pfeife wieder stopfen, die er zur seelischen Stärkung brauchte, und schließlich musste er sie wieder anzünden.
»Das Schuldgefühl seines Lebens!«, wiederholte er schließlich. »Er hat es mir so oft erklärt. Dieser Melliflore damals, der zitterte und klapperte mit den Zähnen, das war ein zutiefst verängstigter Mann.
›Ich muss verschwinden‹, sagte er. ›Ich kann nicht einmal in meinen Verschlag zurückgehen, um meine Siebensachen zusammenzusuchen. Der Onkel wartet sicher schon auf mich! Der Onkel lauert mir garantiert auf! Was Sie gesagt haben, ist völlig richtig, Herr Pfarrer! Er wollte Marguerite für sich. Trotz seiner vier Kinder. Ungeachtet seiner kranken Frau. Er hat das Mädchen widerwillig aufgenommen, als sie vier Jahre alt war. Ihre Eltern sind in einer Scheune umgekommen, als sie das Vieh bei einem Brand retten wollten. Da hat er das Mädchen aus Barmherzigkeit bei sich aufgenommen.‹ ›Lieben Sie sie?‹, fragte mein Vater. ›Natürlich liebe ich sie.‹ ›Ja und? Warum heiraten Sie sie nicht einfach?‹ ›Genau!‹, fügte der Pfarrer bekräftigend hinzu. ›Um den Onkel kümmere ich mich. Wir werden das Aufgebot ordnungsgemäß bestellen, und wenn es sein muss, werde ich ihn mit seinen unlauteren
Weitere Kostenlose Bücher