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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter May
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aus.
    «Natürlich habe ich ihm nichts davon gesagt. Er hatte keine Ahnung, wieso ich jede Nacht Sex mit ihm wollte. Nicht, dass es ihm etwas ausgemacht hätte. Doch ich wusste, dass ich ohne die Pille nur überleben konnte, wenn ich wirklich schwanger wurde. Dann blieb nur noch die Frage, ob ich die Geburt überleben würde.»
    «Und sind Sie es? Ich meine, schwanger geworden?»
    «Zu Reginalds absolutem Entsetzen, ja. Er konnte nicht fassen, dass ich mich einem solchen Risiko ausgesetzt hatte. Er hatte von Anfang an akzeptiert, dass wir niemals Kinder haben würden. Aber ich nicht. Und ich war bereit, dafür notfalls zu sterben. Er konnte das einfach nicht nachvollziehen.»
    Enzo betrachtete die kleine alte Dame, die ihm am Kaffeetisch im Sessel gegenübersaß, und erkannte, dass auch er einen derart übermächtigen Drang niemals begriffen hätte, genau wie damals ihr Ehemann. Wie konnte bei einem Menschen der Kinderwunsch stärker sein als der Selbsterhaltungstrieb? Er merkte, wie ihm der Albtraum der Archangels naheging und er mit dem bestürzten Ehemann Mitleid empfand, der seine Frau, ohne es zu ahnen, geschwängert hatte und ihre Obsession nicht begreifen konnte. «Wie ging es dann weiter?»
    Sie seufzte, trank ihre Tasse leer und stellte sie sorgsam ab. «Vielleicht können Sie sich noch an einen Flugzeugabsturz im März 1968 in der Nähe von Manchester erinnern. Nein, Sie waren sicher noch viel zu jung, also wohl nicht. Es war ein Flug von London nach Glasgow. Mit hundertdreiunddreißig Toten, darunter mein Reginald. Ich war im dritten Monat schwanger und hatte meine große Liebe verloren. Irgendwie wurde es dadurch noch wichtiger für mich, es durchzustehen. Mein Baby zu bekommen. Es war alles, was mir von ihm blieb.»
    Sie schien plötzlich aufgewühlt, rang die Hände im Schoß, wirkte weggetreten, als sei sie sich der Anwesenheit des großen Schotten, der ihr gegenübersaß, kaum bewusst. «Die Ärzte taten alles, was in ihrer Macht stand, um mich auf die Geburt vorzubereiten, aber es ist fast unmöglich, Risse, wenn auch nur kleinste, zu vermeiden, und so wäre ich um ein Haar verblutet. Mehrere Tage, in denen ich laufend Transfusionen bekam, stand mein Leben auf des Messers Schneide. Es waren innere Blutungen, müssen Sie wissen, daher sehr schwer zu stillen. Am Ende gelang es ihnen, und nach einer Woche hielt ich meinen eigenen kleinen Jungen in den Armen – das Einzige, was von seinem Vater überlebt hatte.» Ein Schatten fiel über ihr Gesicht. «Doch da hörte die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn auch schon auf. Er kam zu sehr auf seine Mutter. Ich hatte ihm meinen Fluch vererbt. Die Chancen hatten fünfzig zu fünfzig gestanden, doch er hatte Pech gehabt.»
    Sie kehrte ins Hier und Jetzt zurück und schien sich wieder zu beruhigen. Sie betrachtete Enzo, als sei sie von seinem Anblick überrascht. «Noch Tee?»
    «Nein, danke.» Er stellte seine Tasse auf das Tablett. «Was ist mit Ihrem Sohn passiert, Mrs. Archangel?»
    «Nun, er ist natürlich gestorben. Mit gerade mal achtzehn Monaten. Ich hatte so aufgepasst, Mister Mackay, ich habe alles getan, um ihn vor jeder Verletzungsgefahr zu beschützen. War noch vorsichtiger als meine Eltern bei mir. Ich habe ihn nie aus den Augen gelassen. Wenn es so weit gewesen wäre, wollte ich ihn zu Hause selbst unterrichten.» Sie schüttelte den Kopf. «So abwegig es klingen mag, war es vielleicht besser so für ihn. Was für ein einsames Leben hätte ihn unter dieser gläsernen Schutzglocke erwartet?»
    Sie biss sich auf die Lippe und wandte den Kopf zum Fenster. «Ich war bei ihm, als es passierte. Ich sah, wie er hinfiel, und stand machtlos daneben. Der Überschwang eines Kleinkindes, das laufen lernt, die mangelhafte Koordination, die ungeschickten Füße. Wir waren in der Küche. Mit gefliestem Boden. Sehr unnachgiebig. Er stolperte und fiel nach vorn. Landete direkt auf dem Gesicht. Ich konnte fast hören, wie seine Nase brach. Dann kam das Blut. Und ich geriet in Panik. Gott, war ich außer mir! Weil ich es wusste. Ich hab’s einfach gewusst. Ich habe sofort den Krankenwagen gerufen, aber er kam zu spät. Ich tat, was ich konnte, aber es hörte einfach nicht auf zu bluten. So ein winziger Körper, ein so kleiner Mensch. Und gar nicht mal so viel Blut. Binnen weniger Minuten war er tot.»
    Sie griff zur Teekanne. «Sind Sie sicher, dass ich Ihnen nicht nachschenken darf?»
    Enzo schüttelte den Kopf. Sie goss sich selbst noch einmal ein und

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