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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter May
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Oxford mitten in einem Prozess. Ich konnte den Richter nur zu einem zweitägigen Verfahrensaufschub wegen eines familiären Notfalls bewegen.»
    Im Fischgeschäft an der Ecke packte eine Frau mit dicken gelben Gummihandschuhen Eis um die frischen Fischauslagen.
    «Komm wenigstens noch auf ein Glas Wein mit rauf», sagte Enzo. «Ich könnte jedenfalls einen Schluck vertragen.»
    «Nein, ich muss mit dir reden.»
    «Wir können in der Wohnung reden.»
    «Besser woanders. Unter vier Augen.»
    Jetzt erst hörte Enzo bei seinem Freund einen Ton heraus, der nichts Gutes ahnen ließ. Er wandte sich zu ihm um und sah die Schatten unter den grünen Augen, die mit bernsteinfarbenen Sprenkeln durchsetzt waren. «Dann lade ich dich eben auf ein Glas im Le Forum ein.»
    Er führte ihn an einer blau-weißen Ente mit verbeultem Kotflügel vorbei in das Café an der Südseite des Platzes, gegenüber der Markthalle La Halle. Aus einem Metzgereilieferwagen wurde gerade unter dem aufmerksamen Blick eines Schäferhundes frisches Fleisch abgeladen, während der rastagelockte Hundebesitzer mit einer Bettelschale vor sich in einem Türeingang hockte.
    Drinnen stieg hinter einer Theke aus roten Ziegelsteinen Dampf aus einer Espressomaschine auf. Enzo bestellte für sie beide Brandy, und mehrere Gäste schüttelten ihm die Hand, während er mit Simon im Schlepp das Café durchquerte. Auf einem Fernseher hoch oben über der Tür lief die Wiederholung eines Rugbyspiels. In einer Ecke am Kamin setzten sie sich einander gegenüber auf Lederbänke und genossen die Wärme und den winterlichen Duft der glimmenden Eichenscheite. Sie schwiegen, bis der Brandy kam, und Enzo spürte die Anspannung bei seinem Freund. «Santé.» Er hob sein Glas an die Lippen und ließ sich den Alkohol angenehm heiß die Kehle bis in die Brust hinunterrieseln.
    Simon starrte nur auf sein Glas, bevor er aufsah und seinen Freund mit einem eigentümlich geladenen Blick ins Auge fasste. «Du bist ein richtiger Idiot, Magpie, ist dir das eigentlich klar?»
    «Was?» Enzo fehlten die Worte. Das war keine halb im Spaß gemachte, spitze Bemerkung, sondern ein bitterernster Vorwurf aus tiefstem Herzen.
    «Sie war vorher besser dran.»
    «Wer?»
    «Kirsty. Als sie noch nicht wieder mit dir geredet hat. Als ihr noch nicht wieder Kontakt miteinander hattet. Da hat wenigstens niemand versucht, sie umzubringen.»
    Enzo seufzte und lehnte sich zurück. Daher also wehte der Wind. Nachdem Enzo und Linda sich getrennt hatten, war Simon mit Enzos Ex in Verbindung geblieben und hatte bei der missmutigen Kirsty die Rolle des Ersatzvaters übernommen. Simon war es gewesen, der zu den Schulvorführungen gegangen war und Kirsty und ihre Mutter anlässlich ihres Abiturs zum Essen ausgeführt hatte. In all den Jahren, in denen Enzo nicht da war, hatte Simon über die Tochter des fernen Freundes gewacht.
    «Erst wäre sie um ein Haar in den Katakomben von Paris gestorben, und jetzt hat jemand in Straßburg versucht, sie umzubringen. Und wieso? Wegen dir! Wegen deiner dämlichen Wetten und deinem idiotischen Stolz. Und diesem schwachsinnigen Kreuzzug, jeden ungeklärten Mordfall in Frankreich zu lösen.» Er legte eine Pause ein. «Zumindest die in Raffins Buch.» Jetzt war er in Fahrt. «Und das nur, um aller Welt zu zeigen, wie verdammt clever du bist. Enzo Mackay – scharfer Intellekt, großer Wissenschaftler. Allen anderen immer eine Nasenlänge voraus. Seht her, was bin ich doch für ein toller Hecht!»
    Enzo brannte das Gesicht, als der Ärger seine kalten Wangen zum Glühen brachte. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand eine Ohrfeige verpasst. Simons Anschuldigungen rieben Salz in seine Wunden, trieften von schottischem Sarkasmus. Und er war noch nicht fertig.
    «Ist es dir eigentlich egal, dass du die Menschen, die du angeblich liebst, derart in Gefahr bringst?»
    Enzo fühlte sich daran erinnert, wie Simon im Debattierclub der Schule vor allen anderen geglänzt hatte. Zwar konnte er zuweilen wie seine Kameraden vulgär und obszön sein, daneben besaß er jedoch die herausragende Gabe, seine Meinung mit messerscharfer Klarheit darzulegen – die ideale Voraussetzung für den Anwaltsberuf. Und wenn es in seiner Absicht gelegen hatte, bei Enzo Öl ins Feuer zu gießen, so war ihm das gelungen.
    «Erzähl du mir nichts über die Pflichten eines Vaters, Sy! Du hältst doch keine Beziehung lange genug durch, um überhaupt einer zu werden. Du springst eher mit einem Mädchen in Kirstys Alter

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