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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter May
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aus.» Enzo gab Martinot das Gerät zurück und wickelte Lamberts blau-rot gemusterten Rundkragenpullover aus dem Packpapier. Dann breitete er ihn sorgfältig auf der Tischplatte aus. «Ultraviolett- beziehungsweise UV-Licht», sagte er, «im Handel auch als ‹Schwarzlicht› bekannt, nicht zu verwechseln mit diesen Lampen, in denen Insekten zerbrutzelt werden. Als Lichtquelle in einer Lampe verdanken wir es einem Mann namens Robert W. Wood. Wurde zunächst bei der Diagnose ansteckender pigmentärer Dermatosen verwandt, heute werden damit vor allem bestimmte Hautkrebsarten erkannt.» Er ließ sich die Lampe erneut von Martinot reichen. «In der Forensik wird es meistens eingesetzt, um auf der Haut oder der Kleidung von Vergewaltigungsopfern Sperma nachzuweisen.» Er drehte sich zu Raffin um. «Würdest du bitte das Licht ausmachen, Roger?» Der fensterlose Raum war plötzlich stockdüster. Enzo hielt den Atem an. Er war dabei, Licht ins Dunkel der Vergangenheit zu werfen – Schwarzlicht, das einen brutalen Killer entlarven würde. Er betätigte einen Schalter, und die Lampe flackerte ein paarmal, bevor sie ihr gespenstisches Licht im Raum verbreitete. Er hielt sie im Abstand von fünfzehn Zentimetern über den Stoff von Lamberts Pullover und bewegte sie langsam darüber. Alle drei Männer sahen deutlich die willkürlichen Flecken und Schlieren aus fluoreszierendem Silber, die auf der Brust und am Hals in den Stoff eingestrickt zu sein schienen.
    «Du kannst das Licht wieder anmachen», sagte Enzo.
    Sie blinzelten in das kalte Deckenlicht, und Enzo schaltete die UV-Lampe aus.
    «Was zum Teufel ist das für ein silbriges Zeug?», fragte Raffin.
    «Getrockneter Speichel und Schleim. Für das bloße Auge nicht sichtbar. Und dem Pathologen wäre es im Traum nicht eingefallen, die Kleider des Opfers unter eine Wood-Lampe zu halten.» Enzo wandte sich an Martinot. «Unser Mann ist zu Lambert in die Wohnung gekommen, um ihn zu ermorden. Aber wie Sie schon vermuteten, ist die Sache gründlich aus dem Ruder gelaufen. Von den Hunden der vorherigen Mieter bekam er einen schweren Asthmaanfall. Sein Immunsystem spielte verrückt und schüttete durch den Kontakt mit den Schuppen gewaltige Mengen Immunglobulin E aus, auch IgE genannt. Das IgE muss sich sehr schnell an den Mastzellen der Schleimhäute in Nase, Hals und Lunge sowie im Magen-Darm-Trakt gebildet haben. Die Verbindung des IgE mit dem Allergen war zweifellos äußerst explosiv und hat einen ganzen Sturzbach an irritierenden chemischen Stoffen in die Blutbahn ausgeschüttet, vor allem Histamin. Der Mann muss gehustet, geniest und nach Luft geschnappt haben, die Kehle völlig zugeschwollen, während der Körper krampfhaft versucht hat, über Nase, Mund und Augen das Histamin loszuwerden. Vor lauter Tränen kann er sein Opfer kaum noch gesehen haben. Während er auf Lambert lag und mit ihm rang, hat er ihn mit Schleim und Spucke bespritzt. Klare Flüssigkeiten, die innerhalb von Minuten getrocknet sind und somit nicht mehr zu erkennen waren.»
    Enzo richtete den Blick wieder auf den Pullover. «Fürs Auge nicht sichtbar, hat der Mörder diese Flüssigkeit ausgeworfen, winzige Tröpfchen mit immens hoher Geschwindigkeit, wahrscheinlich reichlich mit weißen Blutkörperchen gesättigt. Besonders mit den eosinophilen Granulozyten, die bei allergischen Reaktionen eine große Rolle spielen. Und wenn wir richtig Glück haben, finden wir zusammen mit respiratorischen Epithelzellen sogar das eine oder andere Nasenhaar, das sich gelöst hat. Das heißt, unsere Chancen, DNA zu gewinnen, stehen ziemlich gut.»
    «Nach so langer Zeit?», fragte Raffin.
    «Wenn die Sachen tiefgekühlt aufbewahrt worden wären, sähe es noch besser aus. Aber hier unten in der Asservatenkammer ist es relativ kalt. Eine gleichbleibende Temperatur. Ich denke, unsere Chancen stehen wirklich gut.»
    Martinot stieß einen leisen Pfiff der Bewunderung aus. «Mann, ich wünschte mir, Sie wären vor siebzehn Jahren dabei gewesen.»
    Doch Enzo schüttelte den Kopf. «Das hätte keinen großen Unterschied gemacht. Damals hätten wir vielleicht die Blutkörperchen an den Kleidern gefunden, aber wir wären nie in der Lage gewesen, die DNA zu extrahieren.»
    Er drehte sich zu Raffin um. «Ich glaube, unser Mann wusste das. Ich denke, ihm war sehr wohl bewusst, dass wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit diese Zellen finden und so an seine DNA gelangen würden. Und es gibt nur einen Grund, weshalb er

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