Der Moloch: Roman (German Edition)
unerschöpflicher Quell an Informationen über den Unsterblichen und seine Vorlieben und kannte sich auch sehr gut im inneren Palast aus, dem sogenannten Fried. Er betrachtete sich selbst als den Anführer dieser bunt zusammengewürfelten Truppe von Verschwörern, Bartellus jedoch sah in ihm das laut klirrende Kettenglied, das sie alle in Gefahr brachte.
Er sah sich die Gruppe an. Heute waren es sieben. Und ich traue keinem von euch, dachte er.
» Willkommen«, sagte der Mann, der sich selbst Sully nannte. Er war klein und dünn, ein ehemaliger Soldat wie sie alle, und hatte als Diener in einem Palast auf dem Schild gearbeitet. Er war sehr intelligent, und auf seine Meinung gab Bartellus mehr als auf die aller anderen. » Wir haben gerade davon gesprochen, dass es vor zwei Tagen eine Seeschlacht gegeben hat.«
» Das habe ich gehört.«
» Was hast du gehört?«, wollte Vitellus wissen. Er war streitsüchtig und suchte stets die Konfrontation.
» Ich habe nur gehört, dass es eine gegeben hat.«
» Südlich vom Kap Salient. Zwei unserer Schiffe sind gesunken. Wir wissen nicht, wie viele von den anderen. Jedenfalls wurde die Blockade für einen Tag durchbrochen.«
» Es gab frischen Fisch auf dem Markt«, behauptete Bartellus, obwohl es ja nur Flussfisch gewesen war.
Sully lächelte. » Fischer brauchen nur ein paar Stunden, um ihre Netze zu füllen. Für viele bedeutet das den Unterschied zwischen Leben und Tod.«
» Und was hast du für uns, alter Mann?«, erkundigte sich Vitellus bei Bartellus.
Der zuckte mit den Schultern. Nichts. Vitellus prustete verächtlich, als hätte genau das seine Erwartungen bestätigt. Bartellus bot ihnen wertvolle Informationen über die Hallen und die geheimen Wege unterhalb der Cité, obwohl es für diese Soldaten, die sich hauptsächlich für Politik und Personalien interessierten, nur wenig von Nutzen war.
» Wir interessieren uns nicht für Fisch, Mann«, knurrte Jonto, ein aktiver Kavallerist. » Vitellus und ich haben Gerüchte über einen Umsturzversuch gehört.«
Es gibt immer Gerüchte über einen angeblichen Staatsstreich, dachte Bartellus. Trotzdem nickte er aufmunternd.
» Die Hunde des Kaisers«, fuhr Jonto fort. Bartellus erinnerte sich. Die Hunde waren eine Zenturie der Eintausend, die von einem dreißigjährigen Veteranen namens Fortance angeführt wurde.
» Was ist mit ihnen?«, fragte er.
» Sie haben einen Einsatz als Leibwächter vermasselt. Ihr Anführer wurde degradiert und zu einer anderen Zenturie versetzt …«
» Er kann von Glück sagen, dass er nicht tot ist«, warf Sully ein.
» Und dann gab es ein ziemliches Durcheinander. Versetzungen zu und von anderen Zenturien. Das hat eine Menge Leute sehr unglücklich gemacht.«
Sully sprach aus, was Bartellus dachte. » Soldaten sind immer unglücklich. Sie haben immer irgendetwas zu jammern.«
» Die Hunde geben Rafael Vincerus die Schuld an der Vernichtung der Maritimen.«
» Warum machen sie Flavius Randell Kerr nicht dafür verantwortlich? Er war immerhin ihr General«, erkundigte sich Sully. Bartellus kannte die Antwort. Flavius war tot, und Rafael lebte. Es machte keinen Spaß, einen Toten zu beschuldigen.
» Und es gibt noch etwas«, fuhr Vitellus fort. Er sah Jonto an. » Gerede unter den Leoparden. Gegen Marcellus. Und seine Gespielin.«
Marcellus Vincerus war einmal mit Giulia verheiratet gewesen, der Schwester von Marcus Rae Khan, dem Oberhaupt der Khan-Familie. Marcus war durchaus beliebt unter den Soldaten, aber weit weniger als seine Schwester, die einzige Frau, die jemals mit einer Kavallerieschwadron geritten war, vor etwa einem Jahrzehnt. Als Giulia das Bett ihres Mannes verlassen hatte, um in den Khan-Palast auf dem Schild zurückzukehren, gab es Gerüchte, der Grund wäre Marcellus’ Liaison mit einer berühmten Kurtisane gewesen.
Daraufhin begannen die Männer, über die Huren zu diskutieren, die allgemein verachtet wurden. Das war eines ihrer Lieblingsthemen. Bartellus beobachtete sie verächtlich. Diese Männer wurden von Stolz und Ehrgeiz getrieben. Sie sahen sich als Anführer einer Armee, als Führer ihrer Zeitgenossen, umjubelt von den Massen, die ihre Feinde brutal zerschmetterten. Bis sie dieses Ziel tatsächlich erreicht hatten, klatschten sie wie die Waschweiber, tranken zu viel Bier und schmückten ihre zum größten Teil erfundenen Geschichten mit schlüpfrigen Details aus.
Wenn es nach ihm ging, würde niemand jemals seinen Namen im Triumph schreien. Falls
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