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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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aussehend, aber seine Augen glänzten trunken, und er sprach bereits ein bisschen undeutlich.
    » Ich habe eben dein Meeresfenster gesehen«, sagte er. » Es ist ein Wunder, dass so ein zartes Mädchen eine so großartige Arbeit schaffen kann. Deine Hände müssen sehr geschickt sein.« Er schob seine Hand über ihre. Seine Handfläche war heiß und feucht, und sie zog angewidert ihre Hand zurück.
    » Mein Vater hat mir gesagt, dass du nur wenig Worte machst, Emly«, sagte er. » Er hat mir auch erzählt, dass du eine Schönheit wärst, aber das ist hinter diesem hübschen Schleier schwer zu erkennen. Willst du ihn nicht für mich abnehmen?«
    Sie schüttelte den Kopf und sah sich um. Sie wünschte sich, ihr Vater würde zurückkommen. Die Gäste, die in kleinen Gruppen um sie herumstanden, kehrten Emly alle den Rücken zu und schienen eine Mauer vor ihr zu bilden. Sie hatte das Gefühl, dass sie und dieser Mann ganz allein im Raum waren. Sie beschloss, zu gehen und ihren Vater zu suchen oder den Kaufmann, aber als sie versuchte aufzustehen, stellte sie fest, dass Tolemy auf ihrem Rock saß, der sich auf dem Sofa ausgebreitet hatte. Als sie versuchte, von ihm wegzukommen, lachte er.
    » Nimm deinen Schleier ab, dann lasse ich dich gehen«, flüsterte er, drängte sich an sie, schlang einen Arm um ihre Taille und dann hoch zu ihrer Brust, umfasste sie und kniff sie fest in ihre Brustwarze.
    Sie riss den Schleier herunter und schleuderte ihn auf den jungen Mann. Er lehnte sich zurück, lachte laut auf und ließ ihren Rock los. Sie sprang auf, gerade als der Kaufmann auftauchte. Er musterte argwöhnisch das aufgeregte Mädchen und seinen lachenden Sohn.
    » Geht es dir gut, meine Liebe?«, fragte er sie, während er Tolemy argwöhnisch musterte.
    Sie nickte, und ihr wurde bewusst, dass sie errötet und ihre Kleidung durcheinander war. » Vater?«, fragte sie.
    » Sie sind fast fertig. Möchtest du mitkommen und dein Fenster ansehen?« Er streckte eine Hand aus, um sie wegzuführen. Sie nickte dankbar.
    Die Präsentation ihres Meeresfensters bereitete ihr jedoch keine Freude. Der Ort, an dem es eingesetzt worden war, hoch oben in einer Wand, durch die die Morgensonne schien, war sehr gut gewählt. Die Gäste, gewandet in feinste Seide und behängt mit prachtvollem Schmuck, applaudierten und beglückwünschten sie zu ihrer hervorragenden Handwerkskunst. Der Kaufmann hielt eine Rede und gratulierte sowohl Emly zu ihrer Arbeit als auch sich selbst, weil er sie entdeckt hatte. Sie jedoch fühlte immer noch, wie Tolemys Hand über sie kroch und haderte innerlich mit sich, weil sie so naiv gewesen war. Bartellus stand neben ihr, den Kopf hoch erhoben, stolz auf sie und ihre Arbeit. Aber er bemerkte die Angst in ihrem Blick. Er missverstand den Grund und sagte leise: » Es sieht wundervoll aus, kleiner Soldat. Findest du nicht?«
    Sie nickte und zwang sich zu einem Lächeln für ihn, denn es stimmte, das Fenster war tatsächlich wundervoll. » Wir können bald nach Hause gehen«, sagte er zu ihr. » Weg von all diesen Menschen. Ich bin sehr stolz auf dich.«
    Er klopfte ihr auf die Schulter, und sie hätte sich am liebsten in seine Arme geworfen. Aber sie wusste, dass sie den Vorfall mit dem Sohn des Kaufmanns nicht erwähnen konnte, denn dann würde er wütend werden und das Gefühl haben, er müsse sie beschützen. Und das erinnerte sie an den Beobachter, und sie bekam Angst.
    Erst als sie sicher in der Kutsche saßen und bereits auf dem Rückweg zu ihrem Heim in Lindo waren, bemerkte sie, dass sie ihren kostbaren Schleier zurückgelassen hatte.

18
    Der Morgen schimmerte rosa im Osten der Cité, als Bartellus das Haus des Glases verließ und in den neuen Tag hinaustrat. Er verschloss die Tür und steckte den großen eisernen Schlüssel in die Tasche. Leicht hinkend wegen seines schmerzenden Knies trat er hinaus auf die Blauenten-Allee und sog prüfend die Luft ein. Offenbar hatte es in der Nacht, nachdem sie von dem Kaufmann zurückgekehrt waren, geregnet, denn die Luft war frisch.
    Er ging zügig zur Bibliothek. Er wollte Abstand zwischen sich und dem Haus des Glases legen, bevor die Welt erwachte. Er hatte Emly und Frayling Anweisungen hinterlassen, auf keinen Fall jemandem die Tür zu öffnen.
    Die Große Bibliothek öffnete gerade ihre Pforten, als er sie erreichte. Das östliche Portal schwang ächzend auf, um die Strahlen der tief stehenden Sonne hereinzulassen. Bartellus ging durch das gelblich grüne Licht zu seinem

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