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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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gewohnten Tisch. Er setzte sich und überlegte dann, was er den ganzen Tag tun würde. Überrascht stellte er fest, dass Carvelho den letzten Stapel mit Folianten nicht zurückgebracht hatte.
    Eine Lektorin, eine dünne alte Frau schlurfte langsam zu ihm und reichte ihm eine Botschaft. Ihre Miene verriet ihren Widerwillen. » Das liegt schon seit drei Tagen für dich hier«, erklärte sie. Es war eine Nachricht von Carvelho, in der er schrieb, dass seine Frau krank sei und er Bartellus nicht zu Diensten sein könnte. Der runzelte die Stirn. Sein geordnetes Leben wurde von allen Seiten durcheinandergebracht. Er knüllte das Papier zusammen und warf es auf den Tisch. Dann starrte er auf einen Stapel mit Dokumenten, der vor ihm lag. Es waren alte Bücher, deren lederne Rücken sich bereits lösten, Schriftrollen aus uraltem trockenem Papier, an denen jeweils ein Namensschildchen hing, und Blätter mit Dokumenten in braunen Ordnern. Er merkte, dass er an diesem Tag keine Lust hatte, etwas über die Architektur der Cité zu lesen.
    Stattdessen zog er das Buch mit den Codes zu sich. Kryptische Codes: Formelle und informelle Insignien unter Bewaffneten. Er schlug die letzte und dann wieder die erste Seite auf, um herauszufinden, wie die verschiedenen Symbole und Tätowierungen geordnet waren, aber es gab keinen Index. Seufzend begann er am Anfang.
    Und er stieß beinahe sofort auf eine seiner eigenen Tätowierungen – die grüne Schlange, die eine Ratte umschlungen hatte, das Symbol der Vierzehnten Imperialen Infanterie, den Rattenfängern. Die Einheit war schon lange aufgelöst. Fell hat dieselbe Tätowierung, dachte er, wie auch Astinor Rotfall, falls er noch am Leben ist.
    Ein anderer Bibliothekar kam vorbei und sah Bartellus erstaunt an. Vielleicht wunderte er sich, dass Letzterer so früh eingetroffen war. Bartellus warf ihm einen strengen Blick zu. Das geht dich nichts an, hieß das, und der Mann ging weiter.
    Im Laufe des Morgens spürte der alte Mann drei der kleineren Tätowierungen der Leiche auf, an die er sich noch erinnern konnte. Er fand heraus, dass dieser tote Soldat bei den Vierundzwanzigsten Vinceri gedient hatte und zwei Jahrzehnte vorher bei den Imperialen Kundschaftern, die sich damals die Aussätzigen nannten. Außerdem hatte er in der Zweiten Schlacht von Edyw mitgefochten. Eine recht ehrenvolle Dienstzeit, obwohl man schwerlich irgendeinen Narren daran hindern konnte, sich diese Tätowierungen einfach stechen zu lassen, ohne tatsächlich dabei gewesen zu sein. Aber Bartellus erinnerte sich auch an die vielen alten Narben auf dem Leichnam des Mannes und glaubte, dass sein tätowierter toter Freund tatsächlich Soldat gewesen war. Er nahm das zusammengeknüllte Papier mit Carvelhos Nachricht, glättete es und schrieb die Namen darauf, weil er sicher war, dass er sich am nächsten Tag nicht mehr daran erinnern würde.
    Als er einfach träge die Seiten durchblätterte, kam er am Ende zu der Tätowierung, die er suchte: die springende Ziege mit der gegabelten roten Zunge. Er lehnte sich überrascht zurück und sah dann noch einmal hin. Es war ganz gewiss dieselbe Tätowierung, man konnte sie nicht verwechseln. Er blätterte weiter zurück, bis zum Anfang des Kapitels. Es nannte sich » Alliierte und Hilfstruppen«. Dann blätterte er wieder zu der Tätowierung zurück und las die Inschrift daneben: Königliche Leibwache unter Matthus III ., dem letzten Herrscher von Odrysia, König des Kleinen Meeres.
    Bartellus warf einen Blick auf seinen Zettel. Die Zweite Schlacht von Edyw. Er hatte sie in dem Buch mit einem Fetzen Papier markiert. Er schlug die Seite auf, und lehnte sich erneut zurück, während er sich an das Gemetzel erinnerte. Die Erste Schlacht von Edyw war ein Triumph gewesen. Shuskaras Armeen des Ostens waren den Stammesleuten der Blauhäute zahlenmäßig überlegen gewesen und hatten sie vernichtend geschlagen. Die Kompanien der Cité hatten Stützpunkte in dem besetzten Land errichtet und ein gewisses Maß an Sicherheit geschaffen. Es dauerte jedoch nur eine Jahreszeit lang, einen langen, warmen Frühling. Ihre Belohnung für diesen Erfolg war eine weit schwierigere Aufgabe. Man befahl Shuskara, nach Norden und Osten zu ziehen, zum Kleinen Meer, durch das Tal von Edyw. Es wurde auf beiden Seiten von hohen Bergketten flankiert, deren Gipfel von selbstbewussten Stammesleuten gehalten wurden, die sich hier auf heimischem Territorium befanden und nach Revanche dürsteten. Sie verkrochen sich in

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