Der Moloch: Roman (German Edition)
Er wusste, dass sein früheres Leben Auswirkungen auf seine Gefangenschaft hatte, aber wenn er uninteressiert tat, konnten sie es nicht als Druckmittel gegen ihn verwenden.
Er nickte Maron zu, setzte sich auf den Stuhl und nahm das Glas Wein, das man ihm anbot, und erkundigte sich liebenswürdig: » Worüber reden wir heute?«
Maron starrte an die Decke, als hätte er bis jetzt keinen Gedanken daran verschwendet. » Über deine besondere Treue zu der Cité und ihrem Kaiser«, sagte er schließlich, » trotz allem, was sie dir angetan haben.«
» Ich bin ein loyaler Sohn der Cité«, wiederholte Fell, wie er es schon ein Dutzend Mal zuvor getan hatte.
» Und doch stammst du nicht aus der Cité.«
Fell nickte.
» Mir scheint, Fell«, erklärte Maron, dass du mehr Widerwillen gegen deinen Vater hegst, weil er dich in die Cité geschickt hat, als gegen den Kaiser, weil er deinen Vater getötet hat.«
Fell zuckte mit den Schultern. Das kümmerte ihn tatsächlich nicht.
» Dieser frühe Groll«, fuhr Maron fort, » das Gefühl des Kindes ist immer noch stärker in dir als das Gefühl des Mannes.«
Fell starrte an die Decke. » Ich neige nicht zur Selbstbetrachtung«, erwiderte er. » Und ich habe auch kein Interesse an deinen Versuchen, dich in meinen Kopf zu winden. Das ist unnötig. Ich verberge nichts. Wenn du etwas über mich wissen willst, frag einfach.«
» Ich weiß schon alles über dich.«
Das hielt Fell zwar für unwahrscheinlich, aber er antwortete trotzdem. » Dann weißt du auch, dass ich ein Soldat bin. Ich habe mein Leben im Dienste der Cité verbracht und bin ihr loyaler Sohn. Aber falls ich eine Rebellion anzetteln soll, falls es das ist, was du von mir erhoffst, dann kann ich dir nur sagen, dass ich das nicht kann. Meine Armee wurde ausgelöscht und die Soldaten meiner Kompanie sind bis auf vier Seelen alle tot. Ich könnte ebenso wenig eine Armee gegen den Kaiser führen wie ein Bettler aus den Straßen von Lindo.«
Maron nickte nachdenklich. » Da hast du wohl Recht. Aber du missverstehst mich. Es gibt nur einen Mann, der die Armeen gegen Araeon ins Feld führen könnte, und das bist nicht du, Fell.«
Fell schwieg und wartete.
» Er ist ein genialer Soldat mit großem Charisma, ein General, dem sämtliche Krieger der Cité folgen würden, wenn er sie dazu auffordern würde. Er ist ein Mann, der, so glaube ich, froh wäre, den Kaiser tot zu sehen als Strafe für all das Unrecht, das er gegen ihn und das Volk der Cité begangen hat.«
Fell schüttelte den Kopf. » Falls du von Shuskara sprichst, er ist tot.«
» Nein, das ist er nicht.«
» Er lebt?« Zum ersten Mal wollte Fell diesem Mann gerne glauben.
» Meine Agenten haben ihn gesehen. Sein Groll gegen den Kaiser ist sehr groß. Mit ein paar guten Männern an seiner Seite könnte er eine Rebellion anführen, die Araeon und die herrschenden Familien vernichten würde.«
» Dann braucht er mich nicht.«
» Aber er vertraut so schnell niemandem, aus offensichtlichen Gründen.«
Fell konnte einfach nicht anders, als seinem Sarkasmus nachzugeben. » Er vertraut keinen feindlichen Ränkeschmieden, die ihn auffordern, sich gegen den Kaiser zu verschwören? Du verblüffst mich.«
Maron lächelte freudlos. » Er vertraut nur seiner Tochter – und dir.«
» Er hat keine Tochter.«
» Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«
Darüber musste Fell nicht lange nachdenken. » Vor fünfzehn Jahren, in der Schlacht auf den Trassischen Feldern. Wir haben die Blauen vernichtet, eine Armee aus Stammesleuten der Buldekki, die von den Odrysianern finanziert wurde.«
» Anschließend hat Shuskara dich als seinen Adjutanten entlassen, nach zehn Jahren an seiner Seite.«
Die Erinnerung daran brannte immer noch schmerzlich in ihm. » Ja.«
» Du bekamst danach den Befehl über die Kompanie, die man jetzt die Grubenwölfe nennt. Shuskara sagte, du wärst wie ein Sohn für ihn und es würde Zeit, deine Karriere weiter zu fördern. Er meinte, dass du es eines Tages zum General bringen könntest.«
Woher kann er das wissen?, fragte sich Fell. Niemand wusste von diesem Gespräch.
Maron lächelte. » Das ist nicht schwer zu erraten«, kam er Fells Frage zuvor. » Außerdem tratschen Soldaten genauso gern wie Waschweiber. Jeder wusste, dass Shuskara und Fell Aron Lee wie Vater und Sohn waren. Jeder wusste, dass er dich in seiner Nähe haben wollte wie einen Sohn und dass er wusste, dass du deinen eigenen Weg gehen musstest. Er hat in dir einen zukünftigen
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