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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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von dem hohen Fenster seiner Zelle aus die Soldaten und die kleinen Dienstmägde zu beobachten, sich ihre Gewohnheiten und die Bewegungsabläufe einzuprägen, die keine Routine waren. Wenn sie nicht monatelang damit verbracht hatten, ihm einen komplizierten Streich zu spielen, was er Maron allerdings ohne Weiteres zutraute, musste der Eingang der Festung im Süden liegen. Also hielt er sich dicht an den Mauern, verborgen vom Nebel und dem starken Regen, und ging nach Westen, zu einem niedrigen Turm, den er gesehen und den er sich gemerkt hatte. Wie der andere niedrige Steinturm, den er von seiner Zelle aus hatte sehen können, hatte auch dieser Turm schmale Fenster ohne Läden. Zudem wirkte er unbenutzt, denn er hatte hier noch nie eine Bewegung gesehen. Er brauchte einen höheren Aussichtspunkt, um sich die genaue Lage der Festung anzusehen.
    Der Weg zum Turm bereitete ihm keinerlei Schwierigkeiten. Er war nicht nur unbenutzt, sondern schon vor langer Zeit aufgegeben worden. Die Tür hatte ein schweres Vorhängeschloss, aber das Holz des Rahmens war in der feuchten Luft verfault. Fell opferte ein paar kostbare Augenblicke, um mit dem Messer um die Angeln der Tür herumzustochern. Nachdem er ein paar Spalte für seine Finger gebohrt hatte, zog er hart an dem Türblatt und das Holz löste sich ohne Probleme von den Angeln. Er drückte sich durch den Spalt und zog die Tür wieder zu, so gut er konnte. Wenn man einen flüchtigen Blick darauf werfen würde, sähe man nur ein unversehrtes Vorhängeschloss. Er tastete sich in dem Dämmerlicht den Weg über die schleimige Treppe nach oben. Schließlich fiel das Tageslicht auf die Stufen, und er rannte ins Obergeschoss. Vorsichtig warf er einen Blick aus einem der schmalen Fenster.
    Er grinste. Wie er es sich gedacht hatte, konnte er von seinem Standort aus die südliche Mauer der Festung sehen, in der das Haupttor lag. Er beobachtete es sehr lange, bis die Dunkelheit anbrach.
    Der Tag graute erst unmerklich am östlichen Himmel, als Fell durch das Rumpeln von Karrenrädern aus einem unruhigen Schlaf geweckt wurde. Er stand auf und warf einen Blick aus dem Fenster des Turms. Das Haupttor war nur von zwei Fackeln erleuchtet, aber er konnte trotz des spärlichen Lichts drei Pferdefuhrwerke sehen, die über den Hof darauf zufuhren. Sie wollten offensichtlich die Festung verlassen. Fell packte den Schwertgurt und rannte die Stufen hinunter, ohne darauf zu achten, dass er in dieser Dunkelheit fallen konnte. Das war seine beste und vielleicht einzige Chance.
    Er ließ sich einen Moment Zeit, die aufgebrochene Tür vorsichtig hinter sich zuzuziehen, falls er sich erneut dorthin zurückziehen musste. Dann lief er zu einem niedrigen Gebäude an der Ecke des Hofs und spähte um die Ecke. Das erste Fuhrwerk hatte das Tor erreicht, und er hörte eine gemurmelte Unterhaltung zwischen den Torwächtern, einem Dutzend Männer und dem Kutscher. Gelächter drang durch die Nacht zu ihm. Er lief leichtfüßig und so leise er konnte über die Pflastersteine zum hinteren Ende des dritten Karrens. Bevor er ihn erreichte, wurden die Tore geöffnet, gerade weit genug, damit die Fuhrwerke hindurchpassten. Der erste Karren fuhr hinaus. Die beiden anderen rumpelten weiter und blieben stehen, als das zweite Fuhrwerk das Tor erreichte. Das dritte war ein bisschen hinter den anderen zurückgeblieben, und seine Ladefläche lag immer noch im Dunkeln.
    Einen Moment lang war Fell verblüfft, denn es sah aus, als wären die Karren leer. Dann sah er den flachen, langen Umriss auf der Pritsche und begriff, dass mit der Karre eine Leiche transportiert wurde, die von einem Leichentuch umhüllt war. Er dachte nur einen Herzschlag lang staunend darüber nach, wie ehrfürchtig diese Leute ihre Toten behandelten, wenn sie drei Karren für drei Leichen benutzten. Dann zog er den Leichnam rasch von der Pritsche des Fuhrwerks und riss das Leichentuch herunter. Er ließ den Toten im Staub liegen, stieg rasch auf den Karren und wickelte sich das Tuch, so gut es ihm gelang, um den Körper. Er hoffte, dass die Dunkelheit verbergen würde, wie schlecht es passte.
    Fast im selben Moment ruckte das Fuhrwerk an, fuhr ein paar Schritte und hielt wieder an. Der Kutscher und die Wachen unterhielten sich in ihrer fremden Sprache, und Fell, der jetzt durch den groben Stoff des Leichentuchs das Schimmern der Fackeln sehen konnte, hielt die Luft an und presste das Schwert an seine Seite. Einen Augenblick später fuhr das Fuhrwerk

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