Der Moloch: Roman (German Edition)
Schwur, den er geleistet hatte, waren tief in seinem Hinterkopf vergraben. Aber in diesen letzten Wochen der erzwungenen Ruhe hatte er so viel nachgedacht, wie seit über dreißig Jahren nicht mehr.
Er hatte diesen Schwur mit den anderen Jungen geleistet, hatte sich der Qual des Brandeisens überantwortet. Selbst der kleinste, Evan, hatte dieses Opfer gebracht. Damals, unmittelbar nach dem entsetzlichen Schauspiel in der Arena, hatte Fell auch an seinen Schwur geglaubt. Er glaubte, dass er eines Tages, wenn die Zeit reif war, den Kaiser töten würde. Aber schon am nächsten Tag, als er neben Shuskara hinausritt und plötzlich in ein neues, aufregendes Leben geworfen wurde, fiel es ihm leicht, diesen kindlichen Schwur zu verdrängen.
Aber vergessen hatte er ihn nicht. Und als sich im vorigen Herbst Evan Quin bei den Wildkatzen zum Dienst gemeldet hatte, hatte Fell ihn sofort erkannt, obwohl er jetzt den neuen Namen Broglanh angenommen hatte. Doch der jüngere Mann hatte ihn nicht erkannt.
Doons Ermordung durch die Soldaten des Kaisers war die letzte Bestätigung gewesen, dass das Schicksal ihn aufforderte, diesen Schwur, den er vor so langer Zeit geleistet hatte, zu erfüllen. Das und der Gedanke, der ihm nicht aus dem Kopf ging. Es hätte Indaro sein können. Es hätte Indaro sein können, die von den Soldaten der Cité gefangen, vergewaltigt, gefoltert und schließlich ermordet worden war.
Er hatte noch nie so für eine Frau empfunden. Wenn er sie nicht sah, musste er unaufhörlich an sie denken. War er bei ihr, wollte er sie berühren, sie umarmen und sie beschützen. Jetzt saß sie neben ihm am Tisch der Verschwörer, und er konnte sich kaum zurückhalten, ihre Hand zu nehmen.
» Warum ich?« Er hatte Gil Rayado gefragt, aber es war Maron, der tief Luft holte und antwortete.
» Dazu muss ich kurz noch einmal auf die Reisenden zurückkommen.«
Fell unterdrückte einen Seufzer. Er hatte bereits mehr von der Geschichte der Cité gehört, als er verkraften konnte.
Vielleicht spürte Maron die Frustration unter seinen Zuhörern, denn er hielt einen kurzen Augenblick inne, bevor er zu sprechen begann. » Man sagt, die Rotadler, die in den Bergen des Mondes nisten, würden tausend Jahre leben. Denn sie haben keine natürlichen Feinde, und selbst der Mensch kann sie auf den hohen Gipfeln, in denen sie ihre Nester bauen, nicht erreichen. Für den Hasen oder den Hermelin, die diesen großen Vogel fürchten und deren Lebensspanne nur wenige Jahre dauert, muss der Adler unsterblich erscheinen.«
Maron schien seine Worte jetzt sehr sorgfältig abzuwägen. » Deshalb«, fuhr er fort, » wird ein Mann, dessen Leben um ein Vielfaches länger dauert als das der Menschen um ihn herum ebenfalls unsterblich genannt. Wir wissen nicht genau, wie lange diese Reisenden, die Serafim, gelebt haben, aber es muss sehr lange gewesen sein. Denn ihre Nachfahren, diese Produkte von Vereinigungen zwischen Menschen der Cité und ihren Göttern, all jene Menschen, durch deren Adern nur eine Hälfte, ein Viertel oder noch weniger Serafimblut fließt, leben viele Generationen länger als normale Frauen und Männer. Wir wissen zum Beispiel nicht, wie alt die Vinceri sind, aber es könnte sein, dass sie nur mit einer oder zwei Generationen Abstand von den Reisenden selbst abstammen.«
» Du willst sagen, dass Marcellus und Rafael über tausend Jahre alt sind?« Fells Stimme klang unverhohlen ungläubig.
Maron nickte. » Möglicherweise.«
Fell lächelte und schüttelte den Kopf. » Du bist ein intelligenter Mann, Maron, aber du zitierst hier Geschichten aus den Albträumen von Kindern oder den mitternächtlichen Kaminplaudereie n al ter Männer. Wie sollen Menschen über tausend Jahre leben?«
» Sie verfügen über Fähigkeiten, die wir noch nicht ganz verstehen.«
» Und du glaubst also, dass der Kaiser genauso alt ist?«
» Nein, Fell. Ihn halte ich für erheblich älter.«
Fell lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. So konnte er Indaro besser beobachten. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. Ihr Gesicht wirkte fast heiter. Was um alles in der Welt dachte sie? Er konnte es irgendwie nie erraten.
» Hör zu, Fell.« Gil mischte sich in das Gespräch ein, weil er wusste, dass Maron an Glaubwürdigkeit verloren hatte. » Wir glauben, dass Araeon einer der ursprünglichen Serafim ist. Einer der ersten. Und der vielleicht einzige, der keine eigenen Nachfahren hat.«
» Er hat keine Söhne?«
Gil sah Saroyan auffordernd
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