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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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eigentlich voll sein. Und doch sind wir nicht ein einziges Mal vom Wasser aufgehalten worden.«
    Er zog die Karten wieder heraus und breitete sie im schwachen Licht der Lampen aus. » Wenn ich Recht habe, dann sind wir hier«, erklärte er und tippte mit dem Finger auf die Karte. Indaro warf einen Blick auf die Stelle, auf die er zeigte.
    » Dann sind wir in der Nähe des Palastes. Der Graben führt zwar nicht unter dem Fried hindurch, aber sehr dicht daran vorbei.«
    Elijas Gesicht war grau und fast so durchscheinend wie Wasser. Indaro fragte sich, wie ein so zierlicher Junge all das hatte aushalten können, was er ertragen musste. Sie hatte Angst um ihn, so wie sie sich auch um Staker sorgte. Ich bin ein toller Kommandeur, dachte sie, und mache mir Gedanken über meine Männer, wo ich eigentlich die Mission im Auge behalten sollte, meine Mission, nämlich Fell zu retten und uns in Sicherheit zu bringen. Dann können Elija und Staker und Garret und auch der Held Shuskara, sie alle können dann allein ihren Weg nach Hause finden.
    Nach Hause. Wenn sie diese Worte dachte, beschworen sie nicht länger Bilder vom Haus ihres Vaters auf dem Kap Salient herauf. Dieses Heim war schon lange für sie verloren. Zu Hause bedeutete Sicherheit, eine dauerhafte Sicherheit, wo sie jede Nacht schlafen gehen konnte, ohne ein Schwert griffbereit zu haben. Und es bedeutete Fell. In ihrem tiefsten Herzen glaubte sie wirklich, dass sie zuerst Fell retten und dass er sie dann nach Hause bringen würde, in Sicherheit, wo auch immer das sein mochte.
    Sie machten sich etwas erfrischter wieder auf den Weg und mit leichterem Herzen, denn sie wussten, dass sie jetzt kurz vor dem Ziel waren.
    Aber nach einem kurzen Stück hob Gil die Hand und befahl stehen zu bleiben. Er legte den Kopf schief und lauschte. Die Soldaten kamen zum Stehen und verstummten, während sie versuchten, ebenfalls zu hören, was Gil über dem Rauschen des Abwasserkanals wahrzunehmen glaubte. Dann dachte Indaro, dass sie es ebenfalls hören konnte. Es war ein Ächzen wie das Stöhnen des Gebälks eines Hauses in einem Sturm. Vorsichtig ging Gil weiter. Indaro ging neben ihm und hob die Laterne hoch.
    Dann blieben sie alle stehen. Einen Augenblick lang begriff Indaro nicht, was sie da sah, aber als sie es dann erkannte, schlug ihr das Herz bis in den Hals.
    Der Tunnel vor ihnen war beinahe vollständig durch einen riesigen Pfropfen aus Müll und Trümmern blockiert, der nur am Rand einige kleine Rinnsale hindurchließ. Indaro sah ein gewaltiges Stück Holz, vielleicht einen Eichenstamm, der sich an der Seite in einem schmalen Loch im Tunnel verkeilt hatte. Hinter ihm hatte sich viel Abfall festgesetzt: Zweige, Trümmer, Metall und Holz von Häusern und Leichenteile. Dahinter hatte sich der gefangene Strom aufgestaut, und der ganze Tunnel bebte unter dem Stöhnen der Masse von Trümmern, die versuchte, dem immensen Druck des Wassers standzuhalten. Während sie entsetzt zusahen, schien sich der Pfropfen zu bewegen. Indaro war sicher, dass sie sehen konnte, wie der Baum sich bewegte, und sie stellte sich vor, wie er sich losriss und auf sie zuraste, gefolgt von einer schwarzen Wand aus tödlichem Wasser.
    » Zurück!«, befahl Gil. Die Soldaten wirbelten herum und rannten den Weg zurück, den sie gekommen waren. Indaro konnte den Blick nicht von diesem Albtraum vor ihr losreißen, als würde sie allein dadurch, dass sie ihre Augen abwandte, das gewaltige Gewicht des Wassers in ihrem Rücken freisetzen.
    Die kleine Armee hastete zurück, panisch angesichts der Bedrohung in ihrem Rücken, aber keiner rannte undiszipliniert davon. Gil und Elija überlegten im Laufen, was sie tun sollten. Elija sah sich ständig um, suchte einen Seitenausgang aus dem Graben. Das Ächzen hinter ihnen schien lauter zu werden, je weiter sie kamen. Indaro versuchte sich einzureden, dass es nur ein Echo war, weil die Tunnelwände das Geräusch verstärkten. Aber sie fürchtete, dass sie nur noch wenige Augenblicke Zeit hatten, um einen Ausweg zu finden, bevor der Propfen nachgab, die Flut freisetzte und sie alle wie Ungeziefer in der Gosse davongespült wurden.
    Über der Erde war es fast Mittag. Irgendwo in der Welt schien vielleicht die Sonne, aber über der Cité erstickten gewaltige Gewitterwolken das Tageslicht. Es regnete überall. Im Norden, entlang der felsigen Küste des Kleinen Meeres, regnete es auf die Lager der beiden größten Armeen, die in diesem endlosen Krieg immer noch gegeneinander

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