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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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kämpften – die Dritte Imperiale der Cité und die Odrysianischen Wölfe. Dieser Tag, der Tag der Zusammenkunft, war der erste in mehr als achtzehn Monaten, an dem die beiden Streitkräfte nicht gekämpft hatten. Im Westen regnete es über dem Salient auf das einzelne Boot herab, dessen Mannschaft geduldig darauf wartete, dass irgendwelche verirrten oder verletzten Soldaten aus den Höhlen zurückkehrten. Sie würden noch einen ganzen Tag warten und dann mit einem leeren Boot zu ihrer Heimat in Adrastto zurückkehren. Im Süden regnete es auf die Armeen der Petrassi, die die südlichsten Wälder und Berge der Cité besetzt hielten, und die beiden hoch über der Ebene der Cité gelegenen Stauseen, die sich immer mehr füllten und jetzt mit der ganzen Macht ihres Wassers gegen die schwachen Dämme drückten. Weit im Osten regnete es auf die Zitadelle auf dem Alten Berg herab. Sie war jetzt wieder leer, bis auf die kleinen braunhäutigen Frauen, die freudig in dem Wolkenbruch tanzten. Sie feierten ihre Göttin, die so viel Fruchtbares aus dem Land wachsen ließ und das Blut der Männer aus der Welt wusch.
    Als der Nachmittag kam, senkte sich eine bleiche Dunkelheit über die Cité.
    In ihrem Zwielicht lief Emly an einem breiten Überlaufkanal entlang. Das graue Wasser spielte um ihre Knöchel, und sie war sich des lauten Platschens ihrer dünnen Lederstiefel bewusst, während sie rannte. Die Soldaten, die sie verfolgten, waren zehnmal so laut wie sie, aber sie spürte trotzdem die beinahe lächerliche Versuchung, leise zu laufen, auf Zehenspitzen. Schließlich blieb sie schwer atmend stehen und lehnte sich gegen die nasse Steinmauer. Als ihr Keuchen nachließ, hielt sie den Atem an und lauschte nach ihren Verfolgern. Aber nichts lief hier außer dem Wasser. Sie warf einen Blick in den endlosen Tunnel. Sie hatte zwar keine Fackel dabei, aber die geschmiedeten Metallgitter in der Decke ließen in regelmäßigen Abständen das grimmige Tageslicht herein und den Regen. Sie sah nur die lange Reihe aus hohen Steinbogen, die sich in der Ferne in der Dunkelheit verloren. Keine Menschenseele war zu erkennen.
    Sie legte den Kopf in den Nacken und blickte zu dem Gitter über ihr hinauf. Das Eisen war in einem komplizierten Muster aus Blumen und Tieren geschmiedet. Was für ein wunderschöner Schmuck für einen Kanaldeckel, dachte sie. Sie fragte sich, ob sie sich bereits unter dem Roten Palast befand. Es freute sie, dass ihr Orientierungsvermögen in den Tunneln sie trotz all der Jahre, die vergangen waren, nicht verlassen hatte. Verlockendes Tageslicht fiel durch die Gitter zu ihr herunter, ein Licht, das auf Staub und Schlamm fiel. Aber auf diesem Weg konnte sie nicht entkommen. Der Kanaldeckel war viel zu hoch über ihrem Kopf.
    Sie lief weiter, und zwar in einem Tempo, von dem sie meinte, dass es die bewaffneten und gepanzerten Soldaten schwerlich übertreffen konnten. Es gab keine Gabelungen in dem Tunnel, keine Seitenkanäle, in denen sie verschwinden konnte, um ihren Verfolgern zu entkommen. Und noch besorgniserregender war, dass der Kanal unausweichlich in die Tiefe führte.
    Sie dachte zurück an den letzten Tag. Am frühen Morgen hatte sie das Haus ihres neuen Gastgebers verlassen. Sie hatte ihm eine Nachricht hinterlassen, aber sie hatte immer noch ein schlechtes Gewissen, weil sie seine Gastfreundschaft missbraucht hatte. Sie beschloss zurückzukehren, wenn dieser Tag vorbei war, und sich zu entschuldigen. Der Bibliothekar mit seinem so schmerzhaft buckligen Rücken schien ein netter Mensch zu sein.
    Sie hatte ihre wenigen Habseligkeiten zurückgelassen und eine warme Hose angezogen, die sie mit einem Gürtel um die Taille zusammengebunden hatte, weil sie viel zu weit war. Dann hatte sie mehrere Hemden und Jacken darübergezogen. Sie wusste, dass es unter der Erde wärmer sein würde, ganz gleich wie kalt es auch an der Oberfläche sein mochte.
    In ihrem beschützten Leben mit Bartellus hatte sie nur wenig über die Cité erfahren und fand es schwierig, im frühen Tageslicht ihren Weg nach Gervain zu finden. Als sie schließlich den Eingang zu dem Kanal erreichte, an den sie sich nach so langer Zeit noch erinnerte, seufzte sie erleichtert auf. Sie sah sich um, um sich davon zu überzeugen, dass niemand sie beobachtete, zog den Kopf ein und tauchte in den Kanal ein. Hier unten war sie die Expertin, und sie spürte, wie ihre Zuversicht stieg, al s sie e in letztes Mal in ihr heimisches Territorium zurückkehrte.
    Sie

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