Der Moloch: Roman (German Edition)
Kind folgte, spürte Indaro, wie sich ihr ein Schluchzen entrang. Trotz seiner Verletzung war Staker ihr überallhin gefolgt, wohin sie ihn auch geführt hatte. Sie wusste, dass die Nordländer ihre Frauen nicht zum Kampf zwangen, und sie vermutete, dass er Frauen als Krieger verachtete. Dennoch war er ihr gefolgt, hatte sich beschwert, hatte gekämpft wie ein Dämon, wenn es nötig war, sich durch die Erde gebohrt, wie ein Wurm, und war dann in einem überfluteten Abwasserkanal unter der Cité wie eine Ratte ersoffen.
Sie spürte, wie Garret ihre Hand drückte. » Der alte Staker war schon einer«, sagte er. » Ich hätte erwartet, dass er noch am Ende aufrecht dasteht, wenn wir alle längst tot sind. Wie Fell.«
Sie hatte seit Stunden kaum an Fell gedacht, und es war typisch, dass ausgerechnet Garret die Sprache auf ihn brachte. Ihre Mission an diesem gottverfluchten Ort war es, Fell zu retten. Aber Garret erwartete immer noch, dass Fell sie rettete, wie er es immer getan hatte. Sie hustete, und dann konnte sie nicht aufhören zu husten. Sie spürte den scharfen Schmerz in ihrer Seite. Bin ich verletzt?, dachte sie. Sie konnte es kaum ausmachen bei all den Schmerzen, die sie empfand. Sie erinnerte sich, dass sie während des Hinterhalts einem Schwerthieb ausgewichen war, und fragte sich, ob sie getroffen worden war. Aber sie schob den Gedanken beiseite. Es spielte auch keine Rolle, solange sie in Bewegung blieb.
Elija vor ihr blieb kurz stehen. Dann ging er vorsichtiger weiter und ließ ihre Hand los. Sie spürte an der Luft um sie herum, dass sie einen freien Platz erreicht hatten, und vermutete, dass er fürchtete, eine Treppe herunterzustürzen oder in einen offenen Abwasserkanal zu fallen. Indaro hörte auf allen Seiten das Rauschen von Wasser und hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, sich zu beeilen. Sie würde sich eher die Kehle durchschneiden, als noch einmal blind durch einen weiteren Tunnel zu schwimmen.
» Wo sind wir?«, fragte sie Elija. Sie versuchte, ruhig zu klingen.
Aber er antwortete nicht. Sie hörte, wie er langsam weiterschlurfte, vorsichtig den Boden abtastete. Sie ließ Garrets Hand los und ging nach links, setzte ihre Füße sehr vorsichtig auf für den Fall, dass der Boden plötzlich unter ihr verschwinden sollte. Ihre Hand ertastete eine beruhigende graue Wand, und sie wanderte mit den Fingern daran entlang. Sie fühlte, wie ein Pfeiler aus der Wand herausragte, und dann strichen ihre Finger etwa in Höhe ihres Kopfes über eine gemeißelte Figur. Sie strich mit den Händen darüber. Sie fühlte den glatten Kopf, die hervorstehenden Augen und den scharfen Schnabel eines Adlers. Ihr Herz schlug schneller. Sie machte einen langen Schritt weiter und fand einen anderen Pfeiler, einen weiteren steinernen Vogel. Vor ihrem inneren Auge sah sie die Kreaturen, ein Dutzend mehr wie sie, die einen runden Raum bewachten, der hell vom Licht der Fackeln erleuchtet wurde. Die wachsamen Vögel.
» Wir sind da!«, schrie sie triumphierend. » Elija, du hast sie gefunden. Das hier ist die Halle der Wächter!«
40
Der Inquisitor in der Grube war jetzt ein Junge, ein Bursche von vielleicht vierzehn Jahren. Er hockte auf den steinernen Stufen am Rand der Höhle und hatte seine Stiefel auf die Stufe oberhalb des stinkenden Wassers gestellt. Er fragte Riis nach den Plänen der Feinde und nach Fell Aron Lee. Riis plapperte alles aus, was ihm über die Geiseln, den Prozess und das Brandmal einfiel, als könnte diese Flut von Worten den Gulon in Schach halten, der immer noch neben dem alten Mann kauerte und ihn beobachtete. Er verschwieg alles, was er über die Invasion wusste, und am tiefsten begrub er den Namen Shuskara in seinem Gedächtnis.
» Welchen Weg nehmen wir?«, fragte Elija. Seine Stimme klang erleichtert.
Indaro dachte nach. Es gab zwei Eingänge zur Halle der Wächter, und sie mussten auf den gestoßen sein, der zu den Hohen Hallen führte. Sie hatte einst geholfen, durch den einen den alten Bartellus und Elijas Schwester zu tragen. Sie mussten direkt durch das Tor gegangen sein, ohne es gemerkt zu haben.
Sie streckte die Hand aus und berührte seinen Ärmel in der Dunkelheit. » Hier entlang«, sagte sie.
Die andere Tür lag auf der gegenüberliegenden Seite der Halle und war durch einen schmalen Durchgang zu erreichen. Sie tastete sich weiter an der Wand entlang und erkannte jeden Vogel mit ihren Fingerspitzen. Eine Eule, eine Möwe im Flug, ein Singvogel mit geöffnetem Schnabel.
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