Der Mond bricht durch die Wolken
Pfarrer erblickte, erfaßte ihn Panik. Er riß die Maschine herum, geriet ins Schleudern, verlor die Herrschaft über sein Fahrzeug und warf sich mit einem Schreckensschrei herunter, in Bankettnähe mit Wucht auf dem Hosenboden landend. Das Motorrad fuhr noch ein Stück weiter und kippte um. Der Motor erstarb in einer Reihe von Explosionen wie die einer dänischen Dogge, wenn sie einen Niesanfall meistert.
Der junge Mann stieß einen kläglichen Schrei aus.
Fen und der Pfarrer gingen zurück, um ihn zu untersuchen. Er lag auf dem Rücken und rieb sich den linken Arm, schien aber nicht ernsthaft verletzt zu sein. Er brach in Wehklagen aus.
»Ihnen fehlt nichts«, sagte Fen zu ihm.
Der Jugendliche hörte schlagartig zu jammern auf. Er starrte Fen entsetzt an.
»Sie sin’s!« kreischte er unerwartet. »Sie sin’s! Geschwoll’n geredet! Sie sin’s! Oh, Hilfe!«
»Wer bin ich?« fragte Fen und das hörte sich an, dachte er, als wäre er irgendeine Figur von Pirandello, die an der eigenen Identität zweifelt. »Wovon reden Sie?«
»Sie sin’s«, stöhnte der junge Mann. »Erpressung, das war’s. Da sin’ Sie gewes’n, mitt’n in der Nacht, Sie wollt’n den Brief der Polizei zeig’n, wenn Sie kein Geld bekomm’. Sie sin’s, Sie sin’s.«
»Muß sich am Kopf verletzt haben«, sagte der Pfarrer.
»Mavis Trent«, sagte der junge Mann. »Sie ha’m mir gedroht wegen Mavis Trent.«
Fen bückte sich, weil er es für gut hielt, den Jungen wenigstens teilweise aufzurichten.
»Z’rückhalten!« schrie der junge Mann den Pfarrer an. »Z’rückhalten, der erwürgt mich!«
»Unsinn, Scorer, natürlich wird er Sie nicht erwürgen«, sagte der Pfarrer scharf. »Die Leute laufen nicht herum und erwürgen am hellichten Tag andere Leute, wenn ein Geistlicher dabei ist. Und was soll das mit Mavis Trent? Nein, antworten Sie noch nicht. Zuerst wollen wir sehen, ob Ihnen etwas passiert ist. Bewegen Sie die Arme und Beine. Los, bewegen! Nein, nicht nur den linken Fuß, alles.«
Der junge Mann gehorchte, grau vor Angst.
»Kann nicht viel passiert sein«, meinte der Pfarrer knapp. »Becken noch ganz? Rückgrat? Rippen? Finger? Irgendwas am Schädel? Husten.«
Der Junge hüstelte schwach.
»Spüren Sie Blut im Mund? Ist der Bauch empfindlich? Zähne locker?«
Fen ging zum Motorrad und zerrte es an den Straßenrand. Er lehnte es an eine der hohen Begrenzungsmauern, die dort die Straße einfaßten. Als er zurückkam, lag der junge Mann noch immer ausgestreckt am Boden, wie aufgebahrt, bevor sein Sarg eintraf, während der Pfarrer Blutergüsse und einen möglichen, wenn auch nicht sehr wahrscheinlichen Steißbeinbruch diagnostizierte.
Überzeugt davon, daß diese Handreichungen vorerst ausreichten, fuhr der Pfarrer fort: »Also, was war das mit Mavis Trent? Heraus damit!«
»Nein«, sagte der junge Mann kompromißlos. »Mach’ ich nicht.« Mit Vorsicht schob er sich auf einen Ellenbogen, während er den zittrigen Versuch unternahm, von seiner Haarfülle etwas aus den Augen zu streichen. »Und er war’s auch nicht«, fügte er hinzu und zeigte auf Fen. »Das seh’ ich jetzt. Groß genug isser, aber nicht so fett.« Aber dann quollen seine Augen plötzlich in neuerlichem Schrecken hervor. »Horcht!« rief er erregt. »Horcht!«
Sie horchten. Das Geräusch, das hinter der Straßenbiegung rasch näher kam, war verworren, aber deutlich vernehmbar.
»‘s is Tully!« jammerte der Junge, »‘s is Farmer Tully un’ seine Kühe! Bringt mich weg! Bringt mich weg!« Der Lärm nahm zu: Glockengeläut, Geschrei, bellende Hunde, ein Motor, donnernde Hufe. »Bringt mich weg!« kreischte der junge Mann und wand sich in Krämpfen. »Oh, Hilfe!«
Fen und der Pfarrer packten ihn an beiden Enden und hievten ihn auf das Grasbankett, gerade als die Kavalkade auftauchte.
An der Spitze fuhr Clarence Tullys dritter Kuhknecht, dessen Pflicht es war, Viehzügen mit dem Fahrrad voranzurollen; er war ein fahriger Mensch, dessen Nervenkostüm, wie er glaubte, dauerhaft dadurch geschädigt worden sei, daß er vor einer Herde von Tieren mit größerer Ausdauer für Steigungen und besserer Eignung für Bergarbeit als er selbst mit seinen bescheidenen Qualitäten sich Steigungen hinaufquälen mußte. Dann kamen die Kühe, vierzehn Zentner schwere, einjährige South Devons. Als letzter tauchte Clarence Tully selbst auf, falstaffisch aufgedunsen hinter dem Lenkrad seines Land-Rover, umringt von aufgeregten, kläffenden Schäferhunden, während
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