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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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Geschenk.
    Fen ging zum Gartenstand und kaufte sich eine große braune Papier-Tragetüte von dem Stapel, der dort zum Verkauf angeboten wurde; in sie stopfte er die kaum mehr zu bewältigende Anhäufung von Gegenständen, die er erworben hatte. Dann beschloß er, sich den Botticelli anzusehen. Miß Bale nahm sein Geld und seine Tüte in Verwahrung und lud ihn freundlich ein, das Zelt zu betreten. Sie machte die Klappe hinter ihm zu.
    Das Zelt war, wie er feststellte, der Breite nach zweigeteilt durch ein Riesenstück abgenutzten schwarzen Samts, das sich von einer Seite zur anderen und vom Dach bis zum Boden erstreckte. In seiner Mitte befand sich, an Ketten vom Dachträger hängend, der Botticelli, von elektrischen Lampen aus verschiedenen Winkeln angestrahlt; der Botticelli war, wie Fen sofort sah, ein beinahe übernatürlich talentloses Gemälde eine gigantische weibliche Gestalt, von Engeln getragen, mit fließenden Gewändern, einem Heiligenschein, einem leeren Lächeln und mit nach unten zeigenden nackten Füßen. Der Stil war zweidimensional, die Komposition eintönig symmetrisch; die Farben waren zumeist Pastellblau, -rosa und -gelb; der Heiligenschein war so blaß, daß es aussah, als hätte er einen Defekt erlitten und sei im Begriff, ganz zu erlöschen. Fen trat an das Ding nah heran, um festzustellen, ob es eine Signatur gab, fand aber keine; der reichverzierte goldene Rahmen dagegen deutete ziemlich schlüssig auf irgendeinen begüterten, größenwahnsinnigen Amateur um 1870 hin, der vernarrt in die Präraffaeliten gewesen war.
    Das einzige andere Objekt in dieser Hälfte des Zeltes war ein spartanischer Holzstuhl ohne Armlehnen, der direkt vor dem Bild aufgestellt war.
    Fen ließ sich darauf nieder, richtete den Blick auf die Stummelzehen der Jungfrau und meditierte da das schließlich von ihm erwartete wurde über Religion.
    Als er das Zelt zehn Minuten später verließ, war er überrascht, draußen den Mann von Sweb vorzufinden klein, dicklich und adrett in seinem grauen Anzug, grauen Mantel und mit seinem exakt ausgerichteten kleinen grauen Hut; anscheinend wartete er darauf, eingelassen zu werden.
    »Hallo«, sagte Fen.
    »Ah«, sagte der Mann von Sweb schwach.
    »Sie sind also doch gekommen.«
    »Ja, hier bin ich.«
    »Gefällt es Ihnen?«
    »O ja.«
    »Sind Sie schon bei der Wahrsagerin gewesen?«
    »Nein. Nein, noch nicht.«
    »Sie müssen aber unbedingt hingehen«, meinte Fen.
    »Oh, das mache ich, das mache ich.« Der Mann von Sweb senkte die Stimme. »Was genau ist eigentlich der Botticelli?« murmelte er.
    »Ein Gemälde.«
    »Ein Gemälde? Ist das alles? Was für ein Gemälde?«
    »Religiös.«
    »Ach du meine Güte, und ich habe schon bezahlt.«
    Fen ließ ihn allein und suchte den Stand des Pfarrers, wo es im Augenblick keine anderen Kunden gab.
    »Kommen und kaufen Sie«, sagte die kleine Miß Endacott und wurde schrecklich rot.
    »Gewiß komme und kaufe ich, Miß Endacott. Ich nehme den dunkelroten Lampenschirm.«
    »O ja, tun Sie das, er ist so hübsch, nicht? Nur kostet er leider fünfzig Pence.«
    »Macht nichts, ich nehme ihn trotzdem. Und haben Sie Notenblätter von Broderick Thouless, oder sind sie schon verkauft?«
    »O nein, sie sind noch da«, sagte Miß Endacott. »Sie haben mir ja solche Sorgen gemacht.«
    »So? Warum?«
    »Nun, sehen Sie, ich bin überzeugt davon, daß sie sehr wertvoll sein müssen. Aber als ich den Pfarrer fragte, was ich dafür verlangen soll, sagte er: >Sixpence.< Ich glaube, er wollte einen Witz machen, finden Sie nicht?«
    »Doch, ja. Sie sind viel mehr wert.«
    »Ja, aber wieviel mehr? Ich weiß nicht, was ich zu Ihnen sagen soll, wirklich nicht«, erklärte Miß Endacott schwächlich. »Wäre… wäre ein Pfund zuviel, glauben Sie?«
    »Nein, das wäre es nicht. Es wäre zuwenig.« Fen hatte in Thouless’ Handvoll zerknüllter Banknoten geblättert, die er getrennt von dem anderen Geld in der linken Hosentasche verwahrte, und entdeckt, daß es vierzehn waren. Thouless ging es finanziell gut, aber wünschte er wirklich, daß Fen alles ausgab? »Sieben Pfund, Miß Endacott«, sagte Fen. »Ich gebe Ihnen sieben Pfund dafür.«
    »Na bitte, ich wußte, daß sie wertvoll sind.« Miß Endacott überreichte strahlend ein Bündel Notenblätter, eine voll orchestrierte Partitur, mit Bleistift geschrieben. Fen öffnete aufs Geratewohl eines der Doppelblätter und las, mit roter Tinte zwischen Schlagwerk und ersten Geigen geschrieben: >3’/, Sek. Ungeheuer

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