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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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überzeugend, muß ich zugeben.«
    »Und die Geschworenen schlossen sich seiner Meinung an.«
    »Eine Mehrheit von ihnen, ja. Aber nicht einstimmig. Und hinterher gewann ich den Eindruck, daß diejenigen, welche gegen einen Unfall gestimmt hatten, dieselben waren, die Mavis sehr gut gekannt hatten. Sie glaubten einfach nicht, daß sie die Männer aufgegeben hatte, und auch nicht, daß sie von selbst die Hole Bridge hinuntergestürzt war, und drittens nicht, daß sie mit einem billigen Herrentaschentuch fortgegangen war, selbst allein nicht.«
    »Und wie hat die Polizei auf das Urteil reagiert?«
    »Ich sprach hinterher mit Widger, und er sagte, er wundere sich. Er hatte mit einem Vorbehalt gerechnet, vielleicht sogar mit einem Mord-Verdikt. Die Akten würden aber nicht geschlossen werden, sagte er und mutmaßlich ist es dabei geblieben, wenngleich ich nichts davon gehört habe, daß inzwischen neue Fakten aufgetaucht sein sollen.«
    Fen überlegte einen Augenblick, dann sagte er: »War sie schwanger?«
    »Nein.«
    »Und noch etwas: Könnte es Routh gewesen sein, den sie an der Brücke treffen wollte?«
    »Psychologisch, fürchte ich, ja.« Untypisch nachdenklich nach seinem langen Vortrag, machte der Pfarrer Fünf-Finger-Übungen auf der Kristallkugel. »Wie ich, glaube ich, erwähnt habe, ließ Mavis sich mit wirklich entsetzlichen Typen ein. Aber Routh war kein Schürzenjäger, wissen Sie. Er äußerte sich sogar verächtlich über die Frauen, und man hatte das Gefühl, das sei echt, nicht vorgetäuscht. Nein, ich würde eher sagen, daß Routh den Frauen feindselig gegenüberstand. Wie Ihnen vermutlich klargeworden ist, war er ein Pervertierter, ein Sadist, der arme, elende, furchtbare Mann. Seine ganze Lust bezog er aus dieser scheußlichen Tierquälerei.
    Aber auf jeden Fall haben wir jetzt allen Grund, anzunehmen, daß es nicht Routh war, der Mavis umgebracht hat, ebenso wie allen Grund zu der Vermutung, daß Mavis keinen Unfall hatte, sondern ermordet wurde.«
    »Scorer.«
    »Genau: Scorer, der etwas davon faselte, jemand habe jemandem gedroht, wegen Mavis Trent zur Polizei zu gehen.«
    »Begreift Scorer denn nicht die Bedeutung dessen, was er belauscht hat? Ist ihm nicht klar, daß er zur Polizei gehen müßte?«
    »Ich bin ganz sicher, daß er sich darüber klar ist«, sagte der Pfarrer ohne Zögern. »Aber er ist ein Scorer, sehen Sie, das heißt, einer von einem Schwärm schwachköpfiger, unehrlicher, primitiver Leute; trotz großer Konkurrenz gelingt es den Scorers, hier in der Gegend durchaus die unerfreulichste Familie zu sein. Kein Scorer würde, egal, worum es sich handelt, freiwillig zur Polizei gehen. Ein Scorer würde für sich behalten, was er erfahren hat, und herauszufinden versuchen, wie er es zu seinem Vorteil verwenden kann.«
    »Reichlich riskant in diesem Fall, würde ich sagen.«
    »Außerordentlich riskant. Ich werde Scorer so schnell wie möglich nach Glazebridge zu Widger zerren müssen am besten noch heute abend. Ich hoffe, ich finde ihn. Nachdem er vor uns das alles ausgeplaudert hat, setzt er es sich vielleicht in seinen albernen Kopf, davonzuschleichen und sich zu verstecken. Eigentlich hätte ich ihn ja Luckraft übergeben sollen, aber mit dem ganzen Hin und Her – « Er verstummte plötzlich. »Was, zum Teufel, ist das?« fragte er.
    Außerhalb des Zeltes, irgendwo in der Nähe, hatte eine Folge von Lauten den normalen Lärm des Festes übertönt, der bis dahin der unbeachtete Hintergrund ihres Gespräches gewesen war: zuerst das Läuten einer Glocke, dann ein Geräusch, als sause ein Schiffsmast herunter, dann ein Chor weiblicher Schreie, dann eine erregte männliche Stimme, die unverständliche Anweisungen gab, dann ein Krescendo von Stimmen in höchster Erregung, dann das Stampfen hastender Füße. Die Whirlybirds, die sich in den Rumpf von > Yellow Submarine< hineingehackt hatten, stockten, versuchten sich zu fassen, scheiterten und verstummten schließlich ganz; ihre Sprechstimmen, von ihren Singstimmen, außer in der Lautstärke, nicht wesentlich verschieden, konnten über die Verstärker frenetisch, aber unverständlich zirpend, im Zelt vernommen werden.
    Der Pfarrer stand empört auf.
    »Was, zum Teufel«, rief er dröhnend, »ist denn jetzt da draußen wieder los?«
     
     
    2
     
    Padmore gehörte zu denen, die es miterlebten. Sein Gespräch mit Clarence Tully hatte einiges zu wünschen übriggelassen, wobei das >einiges< durchaus auf Schwächen seiner Befragungstechnik

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