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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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kolossaler Kraft auf die Metallplatte hinunter.
    Die ganze Maschine schien bei dem Aufprall zu wanken. Die Platte krachte auf den Bodenkasten, die Zahnräder knirschten, und das Bleigewicht schoß im Schlitz hinauf wie ein Geschoß. Die Glocke wurde mit einem klirrenden Schlag getroffen, der für kurze Zeit sogar die Whirlybirds übertönte. Aber das war noch nicht alles. Obwohl zur Zeit der Jahrhundertwende solide aus Mahagoni gebaut, war das Gerät seither durch Jahrzehnte harten Gebrauches und fortschreitender Verwitterung geschwächt worden. In der Säule knapp unter dem Scheitelpunkt der Glocke hatte sich ein Querriß gebildet. Durch Ortrud Youings gewaltigen Schlag überfordert, weitete sich dieser Riß jetzt schnell, und mit einem knirschenden Splittern von Holz, unter einem Getöse von Kreischen, Ächzen und Warnschreien knickte die Spitze der Säule und brach ab. Samt Glocke stürzte sie abwärts, streifte den Besitzer Arthur am Kopf und schleuderte ihn zu Boden, wo er betäubt liegenblieb, aus einer Wunde in der Kopfhaut über dem rechten Ohr stark blutend.
    Der augenblicklich entstehende Aufruhr hob eine einzelne, eher schreckliche Ungereimtheit hervor: Das Schicksal des bedauernswerten Arthur völlig mißachtend für das sie, wenn auch unabsichtlich, schließlich verantwortlich war –, ließ Ortrud Youings den Hammer fallen, verschränkte ihre Hände hoch über dem Kopf, schwenkte sie hin und her wie ein siegreicher Preisboxer und schrie: »Juchhe! Juchhe!«, während sie auf den Stand mit den Preisen zuging, wo sie eine Teekanne ergriff und diese zu schwenken begann. In seiner Zuneigung durch Ortruds gräßliches Verhalten vorübergehend beeinträchtigt, ergriff ihr Mann ohne Sanftheit seine Frau und zerrte sie von den zahlreichen Leuten fort, die sich inzwischen um den niedergestreckten Arthur drängten, um Hilfe anzubieten.
    »Doc Mason!« schrie ein Mann. »Jemand soll Doc Mason suchen!«
    »Ist schon fort!« brüllte ein anderer. »Hab’ ihn vor nich’ mal zehn Minuten wegfahren seh’n!«
    »Dann holt den Sanitätskasten!«
    Während zwei Jugendliche davonhasteten, hob Dermot McCartney, der sich auf ein Knie niedergelassen hatte, den Kopf des Verletzten ein paar Zentimeter hoch und betastete vorsichtig die Wunde. Arthur regte sich; er stöhnte; er versuchte sich aufzusetzen; er war auf jeden Fall nicht tot.
    »Er wird wieder«, sagte Dermot McCartney zu den Umstehenden.
    »Wir holen trotzdem besser den Arzt«, meinte der Major. »Wenn er direkt heimgefahren ist, müßte er schon erreichbar sein. Thouless, lieber Freund, würden Sie ihn von meiner Wohnung aus anrufen? Sie sind schneller als ich. Die Tür steht offen, und die Nummer finden Sie auf dem Block neben dem Telefon. Lassen Sie aber Sal nicht hinaus, sonst gibt es noch mehr Opfer.«
    Thouless nickte gewichtig und schritt auf das Haus zu. Als er am Wahrsager-Zelt vorbeikam, trat der Pfarrer mit seiner Krickettasche heraus, gefolgt von Fen.
    Die beiden jungen Männer waren inzwischen an ihrem Ziel angelangt, dem Botticelli-Zelt; unterwegs hatten sie den Neugierigen, die herbeiströmten, kurze Erläuterungen zugerufen. Das Schild am Botticelli-Zelt zeigte FREI. Titty Bale saß immer noch am Empfang, und Luckraft, der seinen Sturzhelm aufgesetzt hatte, saß ihr noch immer gegenüber.
    »Sanitätskasten«, sagte einer der Hulland-Zwillinge keuchend.
    »Unfall gewesen«, sagte der andere.
    »Einer am Kopf getroffen«, sagte der erste.
    »Blutet ganz stark ins Gras«, sagte der zweite.
    »Du lieber Gott, du lieber Gott«, sagte Titty Bale stirnrunzelnd. Weder sie noch ihre Schwester Tatty (die mutmaßlich noch immer treue Wacht hinter dem Zelt hielt), hatten je so ganz die im Laufe der Jahre entstandene Gewohnheit gebilligt, hinter dem schwarzen Samt, an der das Gemälde hing, alles mögliche zu deponieren. »Zum Glück meditiert im Augenblick gerade niemand. Trotzdem werde ich mit dem lieben Herrn Pfarrer darüber reden müssen. Es ist ganz unsinnig, den Sanitätskasten hier aufzubewahren, und ich werde ihm das auch sagen… Nein, nein, ihr zwei bleibt draußen. Ich hole ihn.« Sie stand auf und ging in das Zelt, während die beiden Hullands Luckraft einweihten.
    Es verging Zeit nur zwei Minuten, aber für die Hullands schien das (wie es auch wirklich war) unnötig lange zu sein. Dann kam Titty Bale aus dem Zelt heraus. Sie hatte keinen Verbandskasten bei sich. Mehr noch, sie ging ganz langsam und sah bleich aus.
    Als man sie fragend anstarrte,

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