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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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sagte sie mühsam: »Luckraft, da ist ein Mann.«
    »Ein Mann, Miß Bale?«
    »Ja. Er ist tot.«
    »Tot?«
    »Ja, tot. Und, Luckraft, es ist wieder passiert«, sagte Titty Bale schwach. Sie ging zurück zu ihrem Stuhl und sank auf ihm zusammen. »Hagberd ist eingesperrt, aber es ist wieder passiert.«
    Sie starrten sie wortlos an.
    »Der Mann ist nicht nur tot«, sagte Titty Bale mit überaus großer Sorgfalt. »Er ist auch… verstümmelt worden. Das heißt, er das heißt, jemand hat ihm den Kopf abgetrennt.«
    In ihrem Klappsessel zusammengebrochen, fügte sie hinzu: »Übrigens ist er vollkommen nackt. Auf der Suche nach dem Verbandskasten hob ich ein Segeltuch oder so etwas hoch und da lag er, so nackt wie bei seiner Geburt.«
    Luckraft schoß erschrocken hoch.
    »Das muß sehr schlimm für Sie gewesen sein, Miß Titania«, sagte er.
    »Die Nacktheit? Pah!« Luckrafts Sorge um ihre altjüngferliche Empfindsamkeit erweckte Miß Bales Mut teilweise wieder zum Leben. »Unsinn, Luckraft, Unsinn! Lassen Sie sich von mir sagen, daß ich zu meiner Zeit sehr viele nackte Männer gesehen habe.«
    »Oh, haben Sie das, Miß Titania?« erwiderte Luckraft schwach.
    »Ja. Ich darf sagen, daß ich mehr nackte Männer gesehen habe als Sie warme Mahlzeiten.«
    Luckraft verlagerte sein Gewicht vom linken auf den rechten Fuß.
    »Du meine Güte«, war alles, was ihm einfiel.
    »Es gibt nichts nichts, Luckraft – , was ich über nackte Männer nicht weiß.«
    »Nein, sicher, Miß Titania. Ich wollte nur – «
    »Krankendienst, Luckraft, Krankendienst. Fast zwanzig Jahre lang habe ich Menschen gepflegt, als ich noch jünger war, und das macht man nicht, ohne alles zu wissen, was es über nackte Männer zu wissen gibt. Verstehen Sie, Luckraft?«
    »Ja, Miß Titania, gewiß.« Luckraft straffte seine Schultern. »Wenn Sie mich jetzt – «
    »Ja, aber seien Sie vorsichtig, Luckraft.« Tittys kurze Belebung schien schon wieder zu erlahmen; sie begann nervös an ihren wirren grauen Haaren zu zupfen. »Dort ist das Böse.«
    »Gewiß, Miß Titania. Und es ist meine Aufgabe – «
    »Nein, nein, Luckraft, Sie verstehen mich falsch. Der Mord ist böse, ja. Die Verstümmelung ist böse, gewiß. Aber was noch schwerer wiegt, ist, daß beides in Gegenwart oder praktisch in Gegenwart des Botticelli geschehen ist.«
    »Und Sie glauben, das – «
    »Das halte ich für das Böseste von allem. Es ist Entweihung, Luckraft ENTWEIHUNG. Es ist die Sünde, die nicht vergeben wird.«
    »Ich werde natürlich daran denken, Miss Titania. Und jetzt-«
    »Ich glaube, es wird vielleicht sogar erforderlich sein, den lieben Herrn Bischof zu bitten, daß er das Gemälde neu weiht«, sagte Titty.
    Luckraft verdrehte die Augen. Er erinnerte sich vielleicht daran, daß der hochwürdige Bischof zu dieser Aufgabe schon beim erstenmal wenig Neigung aufgebracht hatte und sich nun wohl kaum darüber freuen würde, erneut dazu aufgerufen zu werden. Luckraft bemerkte, aus diesen Überlegungen auftauchend, daß Titty Bale ihn erwartungsvoll ansah.
    »Na, stehen Sie nicht herum wie ein Klotz, Luckraft«, sagte sie. »Gehen Sie hinein und ermitteln sie, oder was Sie da so tun.«
    Ruckhaft, wie ein mechanisches Spielzeug, das zu stark aufgezogen worden ist, schnellte Luckraft auf die Zeltklappe zu und verschwand im Inneren.
     
     
    3
     
    Zwei Stunden später nach sechs Uhr kam Fen endlich nach Hause ins Heim der Dickinsons.
    Nach einer kurzen persönlichen Besichtigung hatte Luckraft die Hulland-Zwillinge als Bewachung zurückgelassen, den Major gesucht und um Erlaubnis gebeten, das Telefon in dessen Wohnung benutzen zu dürfen. Dort war er Thouless begegnet, der Dr. Mason erreicht hatte. Luckraft hatte dann, sich die Cockerhündin des Majors mit wohlgezielten Tritten vom Leibe haltend, die Polizeistation in Glazebridge angerufen, ihr die neue, im Botticelli-Zelt verübte Ungeheuerlichkeit geschildert und um Anweisungen ersucht.
    Diese lauteten, daß er sich am Tor aufzustellen habe, wo er Fragen abwehren und die Leute am Fortgehen hindern müsse; letztere Vorsichtsmaßnahme erschien allen, Luckraft eingeschlossen, als sinnlos, da man die Rasenfläche verlassen konnte, indem man sich einfach unter einem Drahtzaun aus zwei Strängen hindurchzwängte. Im allgemeinen zeigten die Besucher des Festes aber mehr Neigung, zu verweilen als das Weite zu suchen. Dank Titty Bale verbreitete sich die Nachricht von dem neuen Mord Burrafords zweitem in zwei Monaten wie Feuer an einem

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