Der Mond im See
Bestimmungsort, und René kommt nicht frei.«
Renate vergrub ihr Gesicht in den Händen. »Es ist furchtbar«, stöhnte sie.
»Reg dich nicht so auf, mein Liebes«, sagte Jacques weich. »Du wirst deine Nerven morgen brauchen.«
»Wollen Sie nicht wenigstens Herrn Baumer von der Sache verständigen, den deutschen Kriminalrat, der hier im Hause wohnt?« fragte ich.
»Er würde uns auch nichts anderes sagen können«, meinte Jacques. »Und ich glaube nicht, daß er es für sich behalten würde. Er würde bestimmt Kommissär Tschudi verständigen. Und dann wäre die ganze Aktion nicht mehr aufzuhalten. Sie dürfen nicht vergessen, daß auch die Kriminalpolizei in Zürich in Alarm ist. Ich weiß nicht, ob sie vernünftig wären, sich ruhig zu verhalten, wenn sie erst mal Bescheid wissen.«
»Und Commissaire Sardou? Ist er nicht mehr hier?«
»Nein, er ist nach Paris geflogen und untersucht dort die Hintergründe dieses ermordeten Mannes, dieses Rumänen. Sie haben ja sicher gehört, daß man Neues über ihn erfahren hat.«
»Ja. Er lebte zuletzt in Paris und war dort verheiratet.«
»Sehr richtig. Sardou verhört die Frau, mit der er verheiratet war. Und er hofft auf diese Weise an Leute heranzukommen, mit denen dieser Bondy Umgang hatte. Sardou ist der Meinung, der Ursprung der ganzen Affäre ist in Paris zu suchen.«
Ja, das war wirklich denkbar. Denn, wie ich ja inzwischen von Renates Mutter wußte, hatte Monsieur Thorez sehr wohl gewußt, wo sich Renate und René aufhielten. Also war es in Paris bekannt gewesen, zumindest in der Umgebung von Jacques Thorez. Was er auch selbst zugab. Er hatte mit seinem Anwalt davon gesprochen, mit seiner Familie, sogar im Büro und auch mit der Dienerschaft.
»Sehen Sie«, sagte er und lächelte ein wenig traurig. »Ich wollte mich ja nicht von Renate scheiden lassen. Eine bessere Frau kann ich ja nicht finden.« Seine Hand glitt leicht und zärtlich über ihre Wange, Renate blickte auf, aber ich hatte das Gefühl, daß die Liebkosung ihr guttat.
»Sie war sehr unzugänglich, weigerte sich, mich zu sehen. Ich hatte meinen Anwalt gebeten, mit ihr Verbindung aufzunehmen, aber er hatte ebenfalls keinen Erfolg.«
Ich sah mir die sanfte Renate an. Sieh an, so ein Täubchen war sie auch nicht. Hätte ich gar nicht gedacht, daß sie so hartnäckig sein konnte.
»Ich hatte nur zwei Verbündete«, fuhr Jacques fort. »Madame Mère, Renates Mama, mit der ich mich immer gut verstanden habe – und René. Und ich dachte mir, wenn es René erst mal wirklich besser geht – und danach sah es ja in letzter Zeit aus –, dann würde Renate vielleicht wieder mit mir sprechen.«
»Ich hätte nie mehr mit dir gesprochen«, murmelte Renate.
»Ma petite!« rief Jacques und schien mich zu vergessen, er beugte sich über sie, umfaßte ihr Gesicht mit beiden Händen und sah sie an, oh, wie er sie ansah, mit einem Blick, der einen ganzen Eisberg in Sekundenschnelle geschmolzen hätte. »Wie kannst du so etwas sagen! Ich habe unrecht getan. Ich habe es eingesehen. Und so bitterlich bereut. Wenn man liebt, muß man auch verzeihen können.«
Renate sah ihn an. Sie wehrte sich nicht gegen seine Hände, aber ihr Blick war immer noch voll Widerstand. »Ich habe dir genug verziehen. Jahrelang und immer wieder. Aber daß du René beinahe umgebracht hast, das konnte ich dir nicht verzeihen.«
Sie maßen sich schweigend. Nein, Renate war kein Lamm. Sie war ein ebenbürtiger Gegner, das sah ich jetzt. Sie hatte auch jetzt noch nicht verziehen, wenn auch die Sorge um das Kind sie wieder mit ihrem Mann zusammengebracht hatte. Es würde erst gut sein, so dachte ich, wenn René wieder dasein würde. Dann würde ihr Herz schmelzen.
Ich räusperte mich verlegen.
Jacques ließ sie los, richtete sich wieder auf. »Pardon, Monsieur«, sagte er. »Kommen wir zum Thema zurück. Morgen also in Zürich. Ich werde natürlich mitfahren, werde mich am Ende der Brücke aufhalten. Und das war es, worum ich Sie bitten wollte, ob Sie sich nicht irgendwo am anderen Ende postieren könnten.«
»Das kannst du nicht von Herrn Ried verlangen«, sagte Renate.
»Aber warum denn nicht?« protestierte ich. »Selbstverständlich tue ich das. Man muß doch in Ihrer Nähe sein und sehen, was geschieht.«
»Sehen Sie, das finde ich auch. Wir halten uns daran: keine Polizei, keine Presse. Aber warum sollen wir nicht in Sichtweite sein. Es gibt doch auch Renate ein wenig Schutz. Oder wenigstens ein wenig Trost. Und noch etwas:
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