Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Anweisungen sofort begonnen, die Türöffnung abzudichten, durch die der kalte Wind hereinwehte. Dann hatte er im Flugzeug nach Decken, Vorhängen und warmer Kleidung gesucht, bis mehr als genug für alle davon beisammen war. Die Leichen im Flugzeug hatte er mit Eriks Hilfe zur Seite gezerrt und aus der Küche war er mit allen möglichen Leckereien für die erste Klasse zurückgekehrt.
Auf der vergangenen Reise hatte sich Rolfs Geschick im Umgang mit Kleinhändlern als wertvoll erwiesen, eine Fähigkeit, die Lena sehr überrascht hatte, da sie ihn bis dahin als Inbegriff der Passivität kennengelernt hatte. Im Allgemeinen hatte sich das auch bestätigt, aber wenn Rolf die richtigen Anweisungen bekam, konnte er unermüdlich fleißig sein. Im Gegensatz zum leicht untersetzten Erik, den diese Arbeit sichtlich bis an seine Grenzen belastete, nahm Rolf auch die vielen Leichen mit erstaunlicher Gleichgültigkeit hin. Körperlich war diese Arbeit für den Halbriesen Rolf auch keine Herausforderung.
Wenn keiner hinter ihm steht und dafür sorgt, dass er was macht, kann man froh sein, wenn er genug Eigeninitiative entwickelt, um morgens aus dem Bett aufzustehen. Der müsste eine wie Katja abbekommen, dann kämen seine Stärken richtig zur Geltung. Daraus wird natürlich nichts. Eine wie Katja sucht sich einen schönen und smarten Kerl, selbst wenn er ein Arschloch ist. Das gilt sogar für Katja, obwohl sie Rolf leiden kann. Es sind sicher nicht seine Hauklotzstatur und sein ungepflegter Bart, die sie abschrecken. Auch Rolf scheint wenig Interesse zu haben, sich auf intelligente Mädchen einzulassen, wenn ich so an die Liste seiner Eroberungen denke.
„Ach übrigens, schaut mal, was ich im Bordshop gefunden hab“, unterbrach Rolf Lenas Gedanken .
Er warf jedem aus der Gruppe eine munter tickende, mechanische Armbanduhr zu. „Is´ nich´ geklaut, nur gelieh´n, bis die Fluggesellschaft hier aufgeräumt hat. Wenn wir erst in ´nem ordentlichen warmen Haus sitz´n, könn´ se die Dinger zurückham“, verkündete er fröhlich grinsend.
Irgendwo aus dem Flugzeugrumpf drang das Scheppern eines herabfallenden Metallteils zu ihnen hinauf. Zumindest für Katja war damit die kurze Ruhephase vorbei. Unruhig rutschte sie einen Moment lang auf ihrem Sessel hin und her und sprang dann auf. „Wir müssen eine gründliche Inventur durchführen, damit wir erkennen, was es alles gibt, das uns helfen könnte“, erklärte sie und schon fing sie an, den Gang entlangzuschlendern und alles genau anzusehen.
Das Krasse ist, dass die Liste, die Katja sich gerade im Kopf macht, vermutlich nicht weniger genau ist, als wenn ich jetzt alles, was es hier gibt, stundenlang zählen und aufschreiben würde. Ich hab verdammt Schwein gehabt, dass sie mir Alf nicht weggeschnappt hat.
Die, der ernsten Situation zum Trotz, gemütliche Stimmung der übrigen Passagiere hielt indessen noch an. Unter all den Decken blieb es mollig warm und Nahrung und Heißgetränke taten weiterhin ihre wohltuende Wirkung. Das alte Ehepaar stellte sich zunächst als Herr und Frau Pilcher vor. Nach einigen Minuten höflicher Konversation erklärte Herr Pilcher, dass es doch besser sei, wenn die jungen Leute Emily und Helmut zu ihnen sagten. Da alle dringlicheren Themen aufgeschoben schienen, störte es Lena nicht, dass Helmut Pilcher die Zeit nutzte, um Anekdoten aus seinem Leben zum Besten zu geben. Jedenfalls erfuhr sie auf diese Weise, dass er, zumindest in den letzten Jahren vor dem Ruhestand, als gewitzter Gebrauchtwagenhändler tätig gewesen war und dass es Emily Pilcher gewesen war, die ihn zu diesem Geschäftszweig inspiriert hatte. Sie war nämlich gelernte Kfz-Mechanikerin, unter anderem.
Ich frage mich, was ich alles einmal machen werde. Grundschullehrerin war früher mein Traum. Jetzt wollte ich mich doch nach dem Abi darauf vorbereiten, die Schreinerei von meinen Eltern zu übernehmen. Wenn ich jetzt mit Alf durchbrenne, was wird dann wohl mal alles aus mir?
Kurz entschlossen ließ sie diese Fragen ins Gespräch einfließen. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft musste sie sowohl mit Alf als auch mit ihren Eltern darüber reden, und sie hatte den Eindruck, die welterfahrenen Rentner seien für einen Ratschlag gut.
Zumindest bekomme ich auf diese Weise eine Ahnung, was ich von so einem Gespräch zu erwarten haben könnte. Und Alf weiß dann, dass ich mich mit diesen Fragen beschäftige, und kann vielleicht schon was dazu sagen.
Es war auch Alf,
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