Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
zu vermuten, dass der Wildbach, der dieses Tal ausgewaschen hatte, gelegentlich durch Gletscherschmelzen so stark anschwoll, dass er den größten Teil des tierischen und pflanzlichen Lebens in seinem Weg vernichtete.
Nun, da sie die Talsohle erreichten, begann ein weiträumiges, sumpfiges Gelände, das in den großen See überging, den sie schon vom Plateau aus erspäht hatten.
Glücklicherweise konnte man mit etwas Mühe zur Linken am steinigen Ufer entlangklettern. Katja ordnete stattdessen erst mal eine Rast an. So stellten sie rasch die kleinen Zelte auf und zogen sich darin zurück. Draußen sitzen wollte hier niemand, da die Moskitoschwärme des Sumpfgebietes in der Gruppe bald eine neue Nahrungsquelle ausgemacht hatten. Katja hatte sich auf der Südamerikatour angewöhnt, nie irgendwo ohne ein Mittel zum Abschrecken tropischer Mücken hinzugehen. Daher hatten sie, obgleich das bei der sorgsamen Gepäckauswahl auf dem Gletscher nicht angebracht erschienen wäre, ein kleines Fläschchen davon zur Verfügung. Katja beschied, dass diese Kostbarkeit für die Umrundung des Sees aufgespart werden sollte. Sie waren sowieso alle müde und wollten schlafen.
Lena durfte aber noch nicht ruhen. Katja bestand zuvor auf einer Lagebesprechung in ihrem Zelt.
„Ich mache mir Sorgen, wie wir von den Einheimischen aufgenommen werden. Wir wissen gar nichts über sie, außer dass sie Gebäude errichten und größere Boote benutzen. Wir befinden uns in einer fremden Welt, nicht nur in einer ungewohnten kulturellen Umgebung. Die Stadt könnte also beispielsweise von intelligenten Riesenameisen bevölkert sein, die uns für nichts anderes als eine Mahlzeit halten“, eröffnete sie Lena flüsternd.
„Ja, da hast du sicher recht. Alf hat mich auch schon darauf hingewiesen. Ich hab ihm gesagt, er soll die Anderen nicht damit beunruhigen. Wir müssen wohl einfach nachsehen, wenn wir wissen wollen, wie die Einheimischen so sind, oder?“
„Nicht einfach so, Lena. Nachsehen müssen wir, das ist korrekt. Ich trage genug Verantwortung an Eriks Tod. Da sollte ich wohl wenigstens jetzt für etwas Vorsicht sorgen, oder?“
„Du bist nicht fair gegen dich selbst. Erik hätte besser achtgeben können. Die Anderen hätten auch mal die Augen offen halten können. Ich hätte ihn besser festhalten müssen. Da haben wir alle versagt, und dass du Hilfe mit dem Kocher gebraucht hast, war kein Vergehen, ….“
Katja unterbrach ihre Freundin sanft, indem sie ihr die Hand auf die Schulter legte. „Bitte, Lena, darüber möchte ich jetzt eigentlich nicht sprechen. Entschuldige, dass ich das Thema angeschnitten habe, aber jetzt ….“
Da wurde sie ihrerseits wieder von Lena unterbrochen: „Schon gut, schon gut, Katja. Was die Sache mit der Vorsicht anbetrifft, gebe ich dir voll recht. Wie wäre es, wenn wir nur die Fittesten vorausschicken würden, um einen Kontakt herzustellen? Die Anderen könnten hier lagern und abwarten.“
„So können wir es machen. Das Lager müsste wegen der Moskitos weiter oben ins Tal verlegt werden. Der Voraustrupp sollte für alle Fälle bewaffnet sein. Wir haben ein Beil und hier gibt es genügend Holz, dass wir daraus schwere Wanderstöcke fabrizieren können, mit denen man zur Not ordentlich zuschlagen kann. Ich werde gehen und Rolf und Sven mitnehmen. Außerdem sollten wir Sachen zum Tauschen oder als Geschenke mitnehmen.“
„Hmmh. Dein Plan ist so weit für mich nachvollziehbar, Katja. Besonders die Wanderstäbe finde ich gut. Mit so was aufzutauchen wird nicht gleich als Aggression verstanden. Aber du solltest nicht gehen, sondern ich.“
„Warum das denn?“, fragte Katja erstaunt.
„Also: Erstens geht an deinem linken Schuh die Sohle ab und das müsste erst geflickt werden. Zweitens bin ich etwas kräftiger als du. Wenn es Probleme gibt, halte ich Rolf und Sven nicht auf. Drittens ist das hier unser Lager, und unsere Anführerin sollte dort sein und sich nicht in Gefahr begeben. Und zu guter Letzt: Ich bin viel neugieriger als du und könnte es nicht ertragen, hier zu warten.“
„Also gut. Das sehe ich selbstredend ein“, erklärte Katja mit einem Grinsen, weil Lena ihre Neugierde als Argument verpackt hatte. „Wir werden hier längstens zwei Tage warten. Ich schätze, in dieser Zeit solltet ihr zweimal in der Lage sein, den See am Ufer zu umgehen, euch bei der Stadt umzusehen und wieder zurückzukommen. Falls ihr dann noch nicht da seid, schlagen wir uns zum Meer durch. Von dort aus,
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