Der Mondscheingarten
sprechen.«
»Also gut, wann haben Sie denn Zeit für mich?«
»Wie wär’s morgen Mittag? Dann könnten wir uns wieder in die Kantine setzen und uns von den kulinarischen Kreationen des Kochs in Erstaunen versetzen lassen.«
»Wenn das so ist, einverstanden!«, entgegnete Lilly fröhlich.
»Und Sie erzählen mir, was Sie sonst noch in Cremona erlebt haben. Ich bin gespannt darauf, Ihre Sichtweise auf die Stadt zu erfahren.«
»Ich werde mein Bestes geben, sie Ihnen zu zeigen.«
»Also, dann bis morgen, ich freue mich auf Sie!«
Nachdem sie sich verabschiedet hatten, legte Lilly auf und hockte sich einen Moment lang auf die Bettkante. Es tat so gut, Gabriels Stimme zu hören! Und sie freute sich sehr auf das Wiedersehen mit ihm. Nicht nur wegen des angeblichen Geheimnisses, das er entdeckt hatte, sondern wegen ihm selbst, denn sie vermisste ihn sehr.
»Du solltest ihn hierher einladen«, sagte Ellen, als Lilly das Telefon wieder zurückbrachte. Fast schien es, als könnte sie den Inhalt des Gesprächs, das Lilly gerade geführt hatte, von ihrer Stirn ablesen.
»Was?«, fragte Lilly verwirrt.
»Ein Abendessen. Expertenaustausch, wie auch immer.«
»Aber … wir haben uns gerade schon zum Mittagessen verabredet. In der Kantine.«
»Aber ich würde auch gern dabei sein, wenn ihr wieder mal Wissen austauscht. Disponier doch einfach um!«
»Das … das kann ich nicht.«
»Warum kannst du nicht? Du bist doch sicher fähig, ein Telefon zu bedienen.«
»Das schon, aber ich kann ihn doch nicht einfach so hierher einladen.«
Ellen legte den Kopf zur Seite, betrachtete sie prüfend. »Hm, das ist seltsam. Ich glaube nicht, dass es an einem Mangel an Geselligkeit deinerseits liegt. Du scheinst Gabriel nicht nur zu mögen, da ist mehr. So viel, dass du ihn nicht mit mir teilen magst.«
»Wie kommst du nur darauf?«
»Weil du immer dann, wenn du einen Mann toll findest, rote Wangen wie eine dieser Hummel-Figuren bekommst.«
Lilly biss sich ertappt auf die Lippe. »Ich sagte doch schon, ich finde ihn sympathisch. Aber das heißt noch gar nichts.«
»Das heißt nichts?« Ellen verschränkte die Arme vor der Brust. »Lilly Kaiser findet einen Mann sympathisch. Wie oft musste sich die Welt diesem Umstand stellen? Wann hast du denn zum letzten Mal jemanden sympathisch gefunden und dabei rote Ohren bekommen?«
»Du bist albern«, konterte Lilly, doch ihre Freundin hatte recht. Vor Gabriel hatte sie sich für keinen Mann interessiert, Männer teilweise gar nicht wahrgenommen, wenn sie ihr auf der Straße nachsahen. Und die männliche Klientel ihres Ladens war entweder verheiratet, unausstehlich oder viel zu alt für sie.
»Ja, das bin ich, aber nichtsdestotrotz, ruf ihn an und lad ihn ein.«
»Und du hast wirklich nichts dagegen?«
»Von wem kommt denn der Vorschlag?«
»Okay, wenn du meinst.« Da Lilly sich von Ellen nicht ansehen lassen wollte, wie sie auf Gabriels Stimme reagierte – Ellen würde sie gewiss wieder aufziehen –, zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Dort wählte sie mit pochendem Herzen und zittrigen Fingern die Nummer und legte sich sorgsam die Worte zurecht, die ihre vorherige Abmachung zunichtemachen würden.
Doch dann meldete sich nicht Gabriel, sondern seine Sekretärin. Vor lauter Schreck legte Lilly rasch wieder auf, fragte sich danach allerdings, warum. Immerhin hatte sie nicht vorgehabt, ihm irgendwelche unanständigen Sachen zuzuflüstern.
Ich versuche es nachher noch mal, sagte sie sich und wandte sich dann wieder ihrem Koffer zu.
Eine halbe Stunde später, Lilly war gerade dabei, ihre Unterlagen zu sortieren, klingelte das Telefon. Ohne lange zu überlegen ging Lilly ran und wollte schon aus dem Zimmer stürmen, um es Ellen zu bringen, weil der Anruf gewiss für sie war. Doch dann erstarrte sie.
»Dachte ich es mir doch, dass Sie das waren«, begann Gabriel ohne Umschweife. Lillys Ohren begannen erneut zu glühen.
»Was denn?«, fragte sie, doch sie wusste, dass sie sehr schlecht darin war, Unschuld vorzutäuschen. Wahrscheinlich hatte ihm die Sekretärin von dem merkwürdigen Anruf erzählt, und anhand der Nummer hatte er natürlich erkannt, wer da zu feige gewesen war, mit dem Vorzimmerdrachen zu sprechen.
»Der Anruf. Wollten Sie einfach nur meine Stimme hören, oder hatte er noch einen anderen Grund?«
»Sie sind anscheinend ziemlich von sich eingenommen, Gabriel«, gab sie zurück und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Aber ja, es gibt einen
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