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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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haben?«
    »Ja, die Sie begutachten lassen wollten.«
    Lilly nickte und schob ihm dann die Fotos rüber. »Das ist sie.«
    Thornton runzelte kurz die Stirn. »Sie haben sie nicht ­dabei?«
    »Nein, sie ist bei Ellen, dort wird sie gerade untersucht. Ich möchte wissen, wem sie früher gehört hat, um vielleicht herauszufinden, wie sie zu mir gelangen konnte. Sie wurde mir als eine Art Erbe übergeben.«
    Thornton blätterte sich durch die Aufnahmen. Bei dem Foto vom Boden der Violine stockte er. »Du meine Güte«, raunte er leise und legte die Aufnahme fast schon andächtig vor sich auf den Tisch. »Ich dachte, sie wäre zerstört worden.«
    Lilly zog die Augenbrauen hoch. Seine Worte ergaben keinen Sinn für sie. Zumindest jetzt noch nicht. »Sagen Sie bloß, Sie kennen diese Geige!«
    Thornton nickte und starrte die Rose für einige Augen­blicke wortlos an.
    »Kommen Sie mit«, sagte er schließlich.
    »Wohin?«, wunderte sich Lilly.
    »In unser Archiv. Es sei denn, Sie wollen noch den Rest Ihres Steaks verdrücken.«
    Darauf hatte Lilly keine Lust mehr. Ihr Herz pochte auf einmal wie wild, und ihre Wangen begannen zu glühen. Sie sprang derart hastig auf, dass ihr Stuhl bedrohlich ins Wanken geriet. Doch sie reagierte rasch und bekam ihn noch rechtzeitig zu fassen, bevor die gesamte Kantine auf sie aufmerksam wurde.
    »Immer mit der Ruhe«, bemerkte Thornton lächelnd. »Das, was ich Ihnen zeigen möchte, läuft nicht weg.«
    Peinlich berührt, raffte Lilly die übrigen Bilder zusammen und folgte Thornton aus der Kantine.
    Das Archiv des Konservatoriums befand sich im Keller.
    »Nicht folgsamen Schülern wurde in früheren Zeiten damit gedroht, sie hier unten einzuschließen«, bemerkte Thornton, als der Fahrstuhl anruckte und sie nach unten trug. »Heut­zutage würde das niemanden mehr schrecken, denn hier ­lagern sehr interessante Dinge. Uralte Tonaufnahmen, Instrumente, Notenblätter, Schülerakten und so weiter.«
    Notenblätter. Am liebsten wäre Lilly gleich mit ihrem zweiten Fund herausgeplatzt, doch sie beherrschte sich.
    »Und Fotos?«, fragte sie stattdessen.
    »Ja, sehr viele Fotos sogar. Wir beschäftigen regelmäßig Restauratoren, die schlimm mitgenommene Exemplare wieder in Ordnung bringen. Und natürlich digitalisieren wir all unsere Exponate. Momentan sind wir damit beschäftigt, aus Wachswalzen und alten Schellackplatten MP3 -Aufnahmen zu erstellen. Das ist oftmals nicht so einfach, denn diese Geräte verfügen leider nicht über USB -Anschlüsse.«
    Lilly lachte auf. Der Gedanke, dass ein Grammophon einen USB -Anschluss haben könnte, war natürlich absurd. Einmal hatte sie eines in ihrem Laden gehabt und bereute es noch immer, dass sie es nicht selbst behalten hatte.
    »Hier ist es!« Thornton deutete auf eine Glastür, auf der in antiken Lettern »Archive« stand. Dahinter wirkte jedoch nichts angestaubt. Die Luft war angenehm temperiert und roch vorwiegend nach altem Papier und Holz.
    »Hoffentlich ist es Ihnen hier unten nicht zu kalt. Wir haben neben alten Instrumenten, Tonaufnahmen und Fotos auch viele teilweise sehr alte Notenblätter. Einige stammen sogar noch aus der Zeit vor dem großen Londoner Stadtbrand anno sechszehnhundertsechsundsechzig. Keine Ahnung, wie die das Feuer überleben konnten. Auf jeden Fall ist es sehr faszinierend, zum Beispiel ein Original aus der Zeit von Henry VIII . in der Hand zu halten und die Komposition zu spielen.«
    »Das kann ich gut nachvollziehen«, entgegnete Lilly, die es vor Spannung fast zerriss. »Ich bin auch immer sehr aufgeregt, wenn ich ein wirklich altes Stück angeboten bekomme.«
    »Was war denn das älteste Stück, das je in Ihr Geschäft gelangt ist?«
    »Ein Sekretär aus dem siebzehnten Jahrhundert. Der Besitzer hat ihn in einer Scheune gefunden und als wertlos eingestuft. Ich habe ihn restaurieren lassen und dann sehr teuer verkaufen können. Es war wirklich ein Prachtstück, hätte eher in ein Museum gehört.«
    »Das mag sein, und es ist auch gut, dass sich Museen dieser Schätze annehmen. Aber ursprünglich sind Gegenstände dazu gemacht worden, um sie zu benutzen. Genauso wie Musikinstrumente. Mir blutet das Herz, wenn ich höre, dass jemand eine wertvolle Stradivari in einem Safe in der Schweiz deponiert hält und sie nie spielen lässt. Abgesehen davon, dass dies dem Instrument großen Schaden zufügt, würden die besten Virtuosen der Welt einen Mord dafür begehen, darauf zu spielen. Leichter könnte man sich die Prominenz

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