Der Mondscheingarten
Swieten reckte stolz die Brust. »Sie wird in zwei Monaten ebenfalls heiraten.«
Die junge Frau, die vielleicht gerade achtzehn oder neunzehn war, lächelte schüchtern, während die Gouverneursgattin Paul die Hand reichte. Dieser neigte sich zu einem Handkuss, dann stellte er Maggie vor.
»Maggie und ich haben vor vier Monaten geheiratet, kurz vor Vaters Tod«, erklärte Paul und bemerkte, dass Maggie betroffen die Lippen zusammenpresste. Sie sprach es nicht aus, aber er wusste, dass sie den Tod seines Vaters kurz nach ihrer Hochzeit für ein schlechtes Omen hielt.
»Es tut mir sehr leid um Ihren Vater«, entgegnete van Swieten betroffen. »Doch wie man sieht, fügt Gott in der Welt alles so, dass sie sich weiterdreht. Sie werden den alten Lord Havenden würdig zu ersetzen wissen.«
Ein Moment klammen Schweigens stellte sich zwischen sie, dann bemerkte van Swieten: »Schade, dass Sie Ihre Hochzeit nicht hier gefeiert haben. Wenn ich noch einmal jung wäre und heiraten wollte, würde ich mit meiner Geertruida ganz gewiss durchbrennen – und in Padang meine Ehe schließen.«
Die Gouverneursfrau warf ihm einen missbilligenden Blick zu. »Piet, rede doch nicht so was, du weißt doch, dass eine Hochzeit vorbereitet werden muss. Nicht mal Arbeiter wagen es, wenn sie noch Familie haben, einfach durchzubrennen.«
»Wenn es die Arbeiter nicht wagen, kann es sich die Aristokratie doch gerade erlauben!«, entgegnete der Gouverneur, doch seine Frau schüttelte den Kopf.
»Du solltest so was besser nicht vor deiner Tochter sagen. Sie wird jedenfalls nicht durchbrennen, nicht wahr, Veerle?«
Der fast schon drohende Unterton brachte Paul zum Schmunzeln. Offenbar hatte Geertruida van Swieten ihre Familie fest im Griff.
Dem Gouverneur schien die Stimmung zu ungemütlich zu werden, denn er sagte: »Also gut, ich muss euch fürs Erste verlassen, aber wir werden noch Gelegenheit erhalten, ein wenig länger miteinander zu sprechen. Geertruida, kümmerst du dich bitte um die beiden?«
»Mit dem größten Vergnügen!« Die Gouverneursfrau lächelte Maggie und Paul an und führte sie dann zu den Damen, mit denen sie zuvor gesprochen hatte. Bewundernde Blicke trafen das Paar, und Paul blickte stolz auf seine Frau. Ja, sie war eine wunderbare Lady Havenden. Und vielleicht entwickelte sie ja auch eine gewisse Liebe zu diesem Land – dem Land, das vielleicht schon bald eine ihrer Einnahmequellen beherbergte.
Die weiche Puderquaste auf der Haut zu spüren, den zarten Puderduft einzuatmen, beides gab Rose ein beruhigendes Gefühl. Mindestens dreimal hatte sie sich schon die Nase gepudert, was eigentlich unnötig war. Sie wunderte sich über sich selbst: Wieso hatte sie derart großes Lampenfieber? In den vergangenen Monaten, in denen sie als aufgehender Stern der Musikwelt gefeiert wurde, hatte sie schon vor wesentlich mehr Publikum gespielt als hier.
Doch nun saß sie in diesem mit wunderschönen weißen Möbeln eingerichteten Raum, der ihr als Garderobe zur Verfügung gestellt worden war, und fühlte sich auf einmal wie beim ersten Vorspielen bei Mrs Faraday. Nein, schlimmer noch, wie vor ihrem ersten Konzert im Konservatorium, wo Mrs Faraday ihr im Vorfeld angedroht hatte, ihre Geige zu zerschlagen, wenn sie nicht vernünftig spielte. Da Rose damals nicht mehr besessen hatte als diese ungewöhnliche Geige mit der Rose – was sie übrigens, als ihr Vater ihr das Instrument geschenkt hatte, als hübsche Analogie empfunden hatte –, hatte sie wie Espenlaub auf ihrem Schemel gezittert.
Doch es war alles gutgegangen, die Geige war noch heute in ihrem Besitz. Und eigentlich gab es keinen Grund für sie, unruhig zu sein. Mit Vivaldi war sie auf der sicheren Seite, denn das Stück war brillant. Natürlich war es ungewöhnlich, den »Winter« aus den »Vier Jahreszeiten« auf Sumatra zu spielen, aber Mrs Faraday hatte stets gemeint, dass die Musik jene Sprache sei, die man überall auf der Welt verstünde.
Oder war sie unruhig, weil das Konzert hier so intim war? Weil sie in einem Privathaus war? Oder weil man jeden Schnitzer hören konnte? Nicht, dass das in letzter Zeit oft vorgekommen wäre. Ihr Agent hatte ihr letztes Konzert ebenso in allen Tönen gelobt wie die Presse. Doch wie schnell konnte ein Ruf dahin sein! Besonders als Frau wurde man sehr genau beäugt. Unter den Freunden des Gouverneurs brauchte nur jemand zu sein, der Verbindungen zur Musikwelt hatte und dann überall herumerzählte, dass sie katastrophal
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