Der Mondscheingarten
wenig vom englischen, doch Paul empfand die Architektur als gelungen. Die Säulen am Eingang wirkten zierlich, in den zahlreichen hohen Fenstern spiegelte sich der rötliche Abendhimmel. Dank der terrassenartigen Anlage und einer Freitreppe mit geringer Stufenhöhe konnten Besucher den Höhenunterschied problemlos bewältigen.
Es war noch weitaus schöner, als Paul es sich angesichts der Erzählungen seines Vaters und anderer Reisender vorgestellt hatte. Die Parkanlage, die Maggie und er mit ihrer Kutsche durchfuhren, wirkte durch Palmen und Melonenbäume ein wenig karibisch, beim näheren Hinsehen entdeckte Paul Jasminbüsche, Orchideen, Frangipani und andere Stauden, die er von weitem nicht richtig hatte erkennen können. All diese Blüten verliehen der Luft ein herrliches Aroma, das mit einer leichten Zimtnote durchsetzt war. Wahrscheinlich wuchsen im Garten des Gouverneurs auch einige Zimtbäume.
Als sei es van Swieten gelungen, die Natur für diesen Abend zu einer besonderen Darbietung zu überreden, kroch rosafarbener Dunst an den Bergen hinab, hinter denen die blasse Scheibe des Mondes noch mit dem Sonnenlicht rang. Aus der Ferne tönten beinahe geisterhaft die Rufe von Affen zu ihnen herüber, die es hier zuhauf und in vielen verschiedenen Gattungen geben sollte.
Paul brannte darauf, die wilden Menschenaffen, die auf Malaiisch Orang Hutan – Waldmensch – genannt wurden, einmal in freier Wildbahn zu erleben. Der Londoner Zoo verfügte zwar neuerdings über ein paar Exemplare, doch durch die Gitterstäbe wurde ihnen jegliche Würde und Größe genommen. Als Jahrmarktsattraktion mochte das viele einfache Gemüter erschrecken. Doch Paul wollte ihre wahre Größe sehen, und das konnte er nur hier.
Allerdings wirkte Maggie angesichts der fremdartigen Rufe irgendwie eingeschüchtert. Sie beklagte sich zwar nicht, doch er erkannte an ihrem Blick, dass die exotische Natur sie eher ängstigte als erfreute. Hatte sie denn keinen Blick für die Schönheit dieses Landstrichs?
»Maggie, Liebes«, sagte Paul aufmunternd und deutete auf einen besonders schönen, in voller Blüte stehenden Frangipani-Baum, ein Exemplar, das schon viele Jahrzehnte auf dem Buckel haben musste. In seinen Ästen turnten ein paar schwarz-weiß gefiederte Vögel mit riesigen gelben Schnäbeln herum. »Schau dir mal diesen Baum an! So einen sollten wir in unserem Garten in England haben, findest du nicht?«
Der Anblick der rosafarbenen Blüten mit gelbem Auge schaffte es schließlich, ein Lächeln auf Maggies Gesicht zu zaubern.
»Du hast recht, er ist wirklich wunderschön. Ob uns der Gouverneur einen Ableger überlässt?«
»Ich bin sicher, dass er das tun wird, wenn wir ihn bitten. Dieser Baum wäre sicher eine Zierde für unsere Orangerie. Und wer weiß, vielleicht überlässt er uns auch einen von diesen Vögeln. Wusstest du, dass man sie Nashornvogel nennt?«
»Wegen des riesigen Schnabels.«
Für einen Moment schien seine Frau nun endlich die Anspannung zu verlieren.
»Genau, weil sie ein Horn auf dem Schnabel haben. Um solch ein Exemplar würde dich die gesamte Londoner Gesellschaft mit ihren langweiligen Papageien beneiden.«
Maggie pflichtete ihm nickend bei, lehnte dann ihren Kopf an Pauls Schulter. Ihre Heiterkeit schwand wieder ein wenig. »Wie lange meinst du denn, werden wir hierbleiben müssen?«
»Solange es nötig ist.«
»Und wie lange ist nötig?«
»Wir werden dieses wunderbare Land so lange mit unserer Anwesenheit beehren, bis ich mir mit dem Besitzer der Zuckerplantage einig geworden bin, was die Beteiligung angeht.«
Paul beugte sich blitzschnell zu Maggie, bevor diese ihren Protest anmelden konnte, und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Die Berührung seiner Lippen ließ ihre porzellanfarbene Haut erblühen.
»Aber Paul, das …«
»… gehört sich nicht?« Paul lächelte breit und gab ihr auch noch einen Kuss auf die andere Wange. »Wir sind verheiratet, warum sollte sich das nicht gehören? Ich bezweifle, dass man etwas daran finden würde, selbst wenn ich dich in aller Öffentlichkeit auf den Mund küssen würde – immerhin bin ich mittlerweile dein Mann!«
Maggies Gesicht wirkte auf einmal wie ein Sommerapfel, der rundherum Sonne bekommen hatte. In Anbetracht dessen, dass auf der großen Freitreppe noch andere Leute zu sehen waren, sah Paul jedoch von einem weiteren Kuss ab.
An der Eingangstür wurden sie von einem dunkelhäutigen Diener in der Tracht der Batak begrüßt. Charakteristisch
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