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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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wenn die Aufzeichnungen stimmen. Mrs Faraday hatte offenbar ihre Meisterschülerin in die Stadt der Geigen mitgenommen.«
    »Haben Sie sich die Aufnahme schon angehört?«
    »Nein, bisher nicht. Die Walzen sind sehr empfindlich, und diese hier gehört zu denen, die als besonders gefährdet gelten. Da wir nicht wissen, ob wir sie vielleicht nur einmal spielen können, habe ich unseren Techniker angewiesen, gleich eine digitale Aufnahme davon zu machen.«
    »Oh, natürlich …« Lilly biss sich auf die Lippe. Am liebsten hätte sie gefragt, ob sie beim Anhören dabei sein könnte. Wie mochte sich das angehört haben, wenn diese Rose auf ihrer Geige spielte?
    »Der Grund, aus dem ich anrufe, ist, Sie zu fragen, ob Sie vielleicht Lust hätten, sich die Aufnahme mit mir gemeinsam anzuhören. Vorausgesetzt, Sie haben Zeit.«
    Lilly schnappte nach Luft. »Sicher habe ich Zeit.« Was sollte ich auch sonst tun, setzte sie in Gedanken hinzu.
    Thornton lachte. »Bestens, dann würde ich mich wirklich sehr freuen, wenn Sie dem Anhören der Walze beiwohnen würden.«
    »Und wann wollen Sie loslegen?« Lilly blickte auf die Uhr. Zehn vor halb elf.
    »Wann immer Sie hier sein können.«
    »Also gleich, nehme ich an?« Lilly klopfte das Herz bis zum Hals. Am liebsten hätte sie Ellen angerufen, damit sie die Aufnahme ebenfalls hören könnte, doch dann entsann sie sich wieder ihrer Worte vom vergangenen Abend, dass sie ihr Geschäft vom Institut Gabriel Thorntons fernhalten wollte.
    »Wenn Sie schneller als in zehn Minuten hier sind, muss ich leider passen, aber ich denke, dass wir in einer halben Stunde beginnen können. Also kommen Sie?«
    Während der gesamten Taxifahrt fühlte sich Lilly auf dem Rücksitz wie auf glühenden Kohlen. Der Verkehr war an diesem Vormittag ziemlich dicht, immer wieder kamen die Fahrzeuge zum Stehen, worauf die Zeit keine Rücksicht nahm, denn sie rückte weiter und weiter.
    Seufzend schaute Lilly auf ihre Armbanduhr. Die halbe Stunde war bereits vergangen. Thornton hatte versprochen, auf sie zu warten, dennoch hasste sie es, unpünktlich zu sein.
    Nachdem das Taxi wieder für fünf Minuten zum Stehen verurteilt gewesen war, setzte es sich zögernd in Bewegung.
    Können Sie keinen Umweg fahren, hätte Lilly am liebsten nach vorn gerufen, doch dann tauchte das Institut vor ihnen auf. Geschafft!
    »Entschuldigen Sie, dass es so lange gedauert hat«, sagte der Fahrer, als sie ihm das Geld aushändigte. »Mittags ist in der City immer die Hölle los.«
    »Ist schon in Ordnung«, gab Lilly höflich zurück, obwohl sie zuvor noch kurz vor dem Ausflippen gestanden hatte, dann wandte sie sich der Freitreppe zu.
    Das Warmspielen einiger Streicher folgte ihr durch die Gänge, bis sie bei Thorntons Büro ankam. Seine Sekretärin blickte kein bisschen freundlicher drein als beim ersten Mal, aber sie wusste immerhin, aus welchem Grund Lilly kam, und ließ sie ohne Einwände bei ihrem Boss vor.
    Thornton schien bereits auf sie gewartet zu haben. Als sie eintrat, schnellte er sogleich von seinem Stuhl hoch. So un­ordentlich wie die Hemdsmanschette saß, hatte er wohl erst kurz zuvor auf die Uhr gesehen.
    »Lilly, da sind Sie ja endlich! Ich wollte schon einen Suchtrupp losschicken!«
    »Entschuldigen Sie bitte, der Verkehr war heute besonders dicht«, entgegnete Lilly. »Ich hoffe, Sie haben noch nicht angefangen.«
    »Keineswegs. Kommen Sie.«
    Gabriel führte sie durch einen langen Gang. Vor einer Tür, aus der dumpfe Geräusche zu vernehmen waren, machten sie halt.
    »Unser Tonlabor«, erklärte er, dann traten sie ein.
    An einem der Tische erwartete sie ein etwa vierzig Jahre alter Mann in Jeans und grauem Hemd, dessen Ärmel hochgeschlagen waren. Die Apparatur neben ihm wirkte aben­teuerlich.
    »Bob? Hier ist die Dame, auf die wir alle gewartet haben«, sagte Thornton und wandte sich dann an Lilly. »Lilly, das ist Bob Henderson, ein Genie im Umgang mit Computern und Wachswalzen.«
    »Er übertreibt maßlos«, bemerkte Henderson, als er ihr die Hand reichte. »Ich tue nur, was ich tun muss.«
    Seine Bescheidenheit zauberte Lilly ein Lächeln aufs Gesicht.
    »Na, dann können wir ja anfangen!«, sagte Henderson, als er sich seinem Versuchsaufbau zuwandte. Während Lilly sich fragte, was das alles zu bedeuten hatte, entdeckte sie eine ­schmale wachsbezogene Walze in der Apparatur.
    »Unser Glück ist es, dass diese Wachswalze mit der Aufnahme von Rose Gallway eine der moderneren ist«, erklärte Henderson,

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