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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Zugang zu den Dokumenten zu verschaffen, von denen er gesprochen hatte. Sie versuchte, ein paar Fetzen von dem zu erhaschen, was Enrico mit dem Museumswärter ­beredete. Obwohl sie kein Italienisch sprach, glaubte sie zu ­verstehen, dass der Mann vom Museum alles andere als ­begeistert war, ihnen jetzt noch Zugang zum Archiv zu gewähren.
    Nach einer Weile war das Gespräch beendet, und Enrico kehrte zu ihnen zurück.
    »Wir haben Glück«, erklärte er. »Sie lassen uns ein paar Zeitungen durchsehen. Allerdings sollten wir uns beeilen, besonders lange haben sie nicht mehr geöffnet.«
    Enrico brachte sie zum Museumswärter und stellte sie vor, dann verließen sie den eigentlichen Ausstellungsraum und betraten das Archiv, in dem nicht nur Ausstellungsstücke lagerten, sondern auch Akten und in dicke Ledereinbände gebundene Zeitungen und Zeitschriften. Ein Kopierer in der Ecke gab ein leises Summen von sich.
    »Ich habe uns erst einmal die Zeitungen aus der Woche um den 12. Juni 1895 bringen lassen«, erklärte Enrico die beiden dicken Lederfolianten auf dem Tisch, während er die Lampe anschaltete. »Es ist denkbar, dass das Ereignis vorher an­gekündigt wurde. Immerhin wurde sogar eine Tonaufnahme davon gemacht, das war zu damaligen Zeiten äußerst selten.«
    Als Lilly den ersten Folianten öffnete, blickte sie auf ein leicht vergilbtes, mit Bildern geradezu überladenes Titelblatt. Interessanterweise waren sehr viele Zeichnungen dabei und kaum Fotografien. Mit den Schlagzeilen konnte sie allerdings ebenso wenig anfangen wie Ellen.
    »Ich glaube, wir werden die Suche auf dich abwälzen müssen«, sagte diese. »Diese Zeilen sind für uns wie Chinesisch.«
    »Na, dafür habt ihr mich ja, oder?«
    Flink blätterte sich di Trevi durch die großformatigen Seiten, bis er schließlich an einer bestimmten Stelle haltmachte.
    »Da haben wir schon mal was«, verkündete er und drehte den Folianten herum. »Schauen Sie sich dieses Bild an.«
    Lillys Blick fiel auf ein etwas linkisch wirkendes Mädchen, das etwa dreizehn oder vierzehn Jahre alt war. In ihrer Hand hielt sie ihre Geige – so herum, dass man die Rose auf dem Boden sehen konnte. Später im Konservatorium hatte Rose ähnlich dagestanden, nur war sie da schon zu einer schönen jungen Frau erblüht. Hübsch war sie als Teenager auch schon, das musste Lilly zugeben. Und man sah ihr ihre südostasia­tische Herkunft noch etwas mehr an als in späteren Zeiten.
    Neben der jungen Rose stand eine ältere Frau in einem strengen schwarzen Kleid. Das leicht ergraute Haar war nach damaliger Mode an den Schläfen onduliert, am Kragen des Kleides war eine in Metall gefasste Onyxbrosche zu erkennen. Die Hand der älteren Frau, von der Lilly annahm, dass es sich um Mrs Faraday handelte, lag auf Roses Schulter, die andere hielt ein kleines Notizbüchlein umklammert. Während Rose unsicher, aber sehr sympathisch wirkte, ging von Mrs Faradays Gesicht eine Kälte aus, die dem Betrachter auch über hundert Jahre später noch Ehrfurcht einflößte.
    »Dem Text nach zu urteilen gedachte die gesamte Lokalprominenz das Konzert zu besuchen. Einige werden sich dabei mehr für die Tonaufnahme interessiert haben, da bin ich mir sicher. Aber das Auftauchen von Rose Gallway muss bereits damals sehr wichtig gewesen sein.«
    Lilly wusste nicht warum, doch sie fühlte angesichts des Bildes einen merkwürdigen Zauber. So als hätte sie die Gelegenheit erhalten, Rose durch ein Fenster zuzusehen. Hatte sie sehr unter ihrer strengen Lehrerin zu leiden gehabt? Oder wirkte Mrs Faraday härter, als sie in Wirklichkeit gewesen war? Hatte Mrs Faraday das Notizheft mit Roses Verfehlungen gefüllt? Oder hatte es keinen besonderen Zweck gehabt?
    »Kann ich hiervon eine Kopie bekommen?«, fragte sie, während es ihr schwerfiel, sich von dem Bild loszureißen.
    »Ich denke schon. Ich werde Ihnen den Text des Artikels übersetzen, dann können Sie leichter etwas damit anfangen.«
    »Aber haben Sie denn Zeit dazu?«
    »Natürlich!«, gab Enrico zurück, und wieder flammte das unverschämte Lächeln in seinem Blick auf. »Wenn nicht für Sie, für wen dann?«
    Noch eine Weile durchsuchten sie die Zeitungen, und tatsächlich stieß Enrico auf weiteres Material. Von dem Konzert gab es noch ein Foto sowie in einem anderen Blatt eine Zeichnung, die das Foto zur Quelle gehabt hatte. Es zeigte Rose, wie sie höchst konzentriert den Bogen führte und dabei wirkte, als hätte sie alles um sich herum

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