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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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wollte sie sagen? Sie wusste es nicht.
    Das Mädchen strich mit der Hand über die Geige. Die Geige! Vielleicht sollte sie nach der Geige fragen.
    »Woher hast du die Geige?«, hörte sie ihre Traumstimme.
    »Ich hab sie geschenkt bekommen«, antwortete die kleine Helen.
    »Von wem?«
    »Von einer Frau.«
    »Und wie heißt diese Frau?«
    Darauf kicherte das Mädchen nur. Hatte Mrs Faraday dem Mädchen die Geige gegeben? Das war anzunehmen.
    Am liebsten hätte Lilly das Kind, das wohl eine geisterhafte Abbildung von Helen war, fragen mögen, was aus ihr geworden war. Doch das Mädchen klappte nun den Koffer auf. Die Geige darin wirkte wesentlich neuer als jetzt. Als Helen mit den Fingern darüberstrich, gab sie einen Misston von sich, als wäre sie verstimmt.
    »Die Lösung des Rätsels ist verborgen im ›Mondscheingarten‹«, wisperte das Mädchen, nachdem der schräge Klang vergangen war.
    Lilly blickte in die Augen des Kindes, und ihr fiel auf, dass sie nicht braun waren, sondern seltsam goldbraun. Als wäre ein Lichtstrahl auf ihre Iris gefallen.
    »Wie meinst du das?«, fragte sie weiter, doch das Mädchen hatte kein Interesse daran, ihr irgendwelche Fragen zu beantworten.
    »Siehst du, ich kann zaubern!«, rief sie, und während ihr Lachen durch den Raum hallte, löste sie sich vor Lillys Augen in Luft auf. Als Lilly wach wurde, stellte sie fest, dass der Mond aus dem Fenster verschwunden war. Über die Straße unter dem Fenster knatterte ein Motorroller.
    Unter den schweren Decken fand sie jedoch so schnell keine Ruhe mehr. Immer wieder hatte sie das Traumbild vor sich. Die kleine Helen, die ihr gesagt hatte, dass die Lösung des Rätsels im »Mondscheingarten« verborgen sei. Natürlich bedeutete das nur, dass sich das, was sie am Vortag auf dem Foto gesehen hatte, in ihrem Verstand festgesetzt hatte. Aber was, wenn des Rätsels Lösung wirklich auf dem Notenblatt zu finden war?
    Am liebsten wäre Lilly aufgestanden, um nachzusehen, doch die Müdigkeit war stärker. Sie zerrte sie zurück ins Reich des Schlafs, der diesmal traumlos blieb.

14
    Am nächsten Morgen holte Lilly ihr Vorhaben nach. Während eine seltsame Unruhe ihre restliche Müdigkeit vertrieb, ging sie zu dem Tisch, auf dem der Geigenkasten stand, und holte aus dem Innenfutter das Notenblatt hervor.
    Dabei ging ihr wieder durch den Sinn, was Dean gesagt hatte. Versteckte sich in dem Notenblatt ein Code?
    Wenn ja, dann einer, der sich ihr nicht erschloss, denn das Stück war rein instrumental, es gab keinen Text, den man interpretieren konnte. Seufzend gab sie auf, legte das Blatt auf den Tisch und ging unter die Dusche. Mit dem warmen Wasser plätscherten auch die Fragen wieder auf sie ein.
    Vielleicht konnten Ellen und Enrico irgendwas in den Noten erkennen …
    Noch immer voller Unruhe drehte sie die Hähne zu und strich sich das Wasser aus dem Haar. Dann hüllte sie sich in eines der flauschigen Badetücher, um die sie Enrico ganz furchtbar beneidete – was ihre Waschmaschine ausspuckte, konnte hin und wieder auch als Brett bezeichnet werden.
    Durch die Gänge des Hauses waberte Kaffeeduft, der sie geradewegs in die Küche lockte. Ellen saß dort an einer langen Holztafel, die Hände um einen roten Kaffeebecher gelegt. Beinahe wirkte sie ein wenig verloren an dem über­dimensionalen Möbelstück. Hatte Enrico wirklich manchmal so viele Gäste hier, dass sie alle an diesem Tisch Platz fanden?
    »Hey, da bist du ja!«, rief ihre Freundin. »Ich dachte schon, du kommst heut gar nicht mehr runter.«
    »Ich habe gestern noch Gabriel angerufen«, gestand Lilly, worauf ihre Freundin erstaunt die Augenbrauen hochzog.
    »Na, du bist ja mutig! Reißt Männer einfach so aus dem Schlaf.«
    »Er hat nicht geschlafen. Jedenfalls hat er sich nicht so ­angehört.«
    Die Erinnerung an das Telefonat zauberte ein Lächeln auf Lillys Gesicht und ließ die Fragen bezüglich des Notenblatts für einen Moment in den Hintergrund treten.
    »Na, auf jeden Fall wird er hellwach gewesen sein, als er dich gehört hat«, entgegnete Ellen und nahm einen Schluck aus ihrem Becher. »Meine Güte, der ist fast so gut wie der von Terence«, setzte sie hinzu.
    »Wo ist dein Freund?«, fragte Lilly, während ihr Blick durch den Raum schweifte. In dieser Küche hätte man wahrscheinlich auch sehr gut die Auftritte irgendwelcher Gourmet-Köche filmen können.
    »Enrico ist in die Stadt gefahren, um uns Frühstück zu ­besorgen. Allerdings sollten wir keine großen Erwartungen

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