Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
Vom Netzwerk:
entgegnete Lilly rasch und zog die CD aus der Tasche, die sie mitgenommen hatte. »Ich habe hier die Kopie einer Aufnahme von Rose, die in Cremona gemacht wurde.«
    »Am 12. Juni 1895«, sagte Enrico, während er die Aufschrift auf der Silberscheibe las. »Das ist brillant! Woher haben Sie die Aufnahme?«
    »Aus der Faraday School of Music. Dort erforscht man das Leben von Rose Gallway.«
    »Die müssen Sie mir heute Abend unbedingt vorspielen. Aber jetzt sollten wir besser aufbrechen.«
    »Gute Idee!«, entgegnete Ellen und deutete zum Flur, in dem sie ihre Taschen abgestellt hatten. »Aber vorher sollten wir einen Abstecher ins Hotel machen, damit wir unser Gepäck loswerden.«
    »Hotel?«, entrüstete sich Enrico. »Kommt gar nicht in Frage, ihr übernachtet bei mir!«
    »Aber wir …«
    »Komm jetzt nicht damit, dass ihr mir keine Mühe be­reiten wollt.« Er machte eine ausladende Armbewegung. »Schau dir mal diesen Palazzo an, der so weitläufig und leer ist. Denkst du, ich lasse mir die Gelegenheit nehmen, endlich mal wieder richtige Menschen um mich zu haben und keine Geister?«
    Lilly blickte zu Ellen. Diese schien unschlüssig zu sein.
    »Was meinst du?«, fragte sie sie schließlich.
    »Ja, was meinen Sie, Lilly?«, hakte Enrico sich mit einem gewinnenden Lächeln bei ihr ein. »Wollen Sie mich wirklich auch in dieser Nacht mit den Geistern des Palazzo allein lassen?«
    »Gibt es hier denn wirklich welche?«, entgegnete sie lachend.
    »Und ob! Wenn Sie hierbleiben, stelle ich sie Ihnen persönlich vor. Also?«
    Lilly konnte nicht anders, als das Lächeln zu erwidern. Aber aus irgendeinem Grund wäre es ihr lieber gewesen, er würde sie loslassen. War das ein schlechtes Gewissen gegenüber Gabriel? Seltsamerweise war es nicht Peter, der ihr in diesem Augenblick in den Sinn kam.
    »Also gut, da du ohnehin keine Ruhe geben wirst, bis wir einwilligen: ja, wir bleiben«, sagte Ellen, bevor Lilly antworten konnte. »Lass mich nur noch schnell das Hotel anrufen und die Zimmerfrage klären, dann können wir uns auf den Weg machen.«
    »Dann telefoniere aber nicht von deinem Handy, sondern nimm mein Telefon im Arbeitszimmer, dann ist es nicht so teuer.«
    »Ja, Papa!«, scherzte Ellen, die offenbar wusste, wo sich di Trevis Arbeitszimmer befand, denn sie verschwand im Flur und stapfte schnurstracks die Treppe hinauf.
    »Wie alt ist eigentlich Ihr Palazzo?«, fragte Lilly, während sie ihren Blick durch den Raum schweifen ließ, der trotz der modernen Einrichtung etwas Museales an sich hatte. Enrico ließ sie nun los und machte eine theatralische Geste. »Oh, ich schätze so um die vierhundert Jahre. Ist er nicht ein Prachtstück?«
    »Das ist er tatsächlich.«
    »Und Sie interessieren sich für so alte Gemäuer wie dieses?«
    »Ja, sehr. Das bringt mein Beruf so mit sich. Ich könnte Ihnen freilich nicht sagen, was das Gebäude wirklich wert ist, aber für einige Stücke, die Sie hier stehen haben, würden Sie bei uns ein Vermögen bekommen.«
    Enrico lächelte breit. »Wie gut, dass ich nicht hinter dem Geld her bin wie der Teufel hinter Seelen. So sagt man das bei Ihnen, oder?«
    »So ungefähr.«
    Im nächsten Augenblick schneite Ellen durch die Tür.
    »Ich muss dich warnen«, begann sie, während sie wieder dem Sofa zustrebte. »Lass dich in der nächsten Zeit besser nicht in der Nähe des Visconti-Hotels sehen, ich habe dich persönlich dafür verantwortlich gemacht, dass wir die Zimmer stornieren mussten.«
    »Hast du nicht«, entgegnete Enrico selbstsicher. »Und wenn doch, die Leute im Visconti werden mir nichts tun, ich habe Freunde da.« Er zwinkerte mit den Augen. »Kommt, lasst uns gehen.«
    Das Geigenmuseum befand sich im Palazzo Communale , einem zweistöckigen Bau aus dem 13. Jahrhundert, mit wuchtigen Rundbögen und hohen Fenstern, der an die Piazza commune grenzte. Direkt gegenüber befand sich der Dom, daneben der Torazzo, der berühmte Turm, von dem aus man die gesamte Stadt überblicken konnte.
    Im nachmittäglichen Licht wirkte der Platz wie verzaubert. Lilly konnte sich sehr lebhaft vorstellen, wie es hier im Mittelalter ausgesehen hatte. Wie die Gläubigen in die Kirche strömten oder sich vor dem Rathaus mit Bekannten oder Geschäftspartnern unterhielten.
    Das Museum selbst wirkte sehr barock mit all dem grauen und weißen Marmor, den Kronleuchtern und den creme­farbenen Empirestühlen. Staunend schritt Lilly mit Ellen an den Ausstellungsstücken vorbei, während Enrico versuchte, ihnen

Weitere Kostenlose Bücher