Der Mondscheingarten
hegen, die Italiener essen morgens eher wenig.« Damit erhob sich Ellen und strebte dem teuren Kaffeeautomaten zu. »Wie wäre es mit einem Cappuccino für die Geschichte von deinem Telefonat mit Gabriel.«
»Danke, gern«, entgegnete Lilly und vernahm das Brummen und Schlürfen der Maschine. »Allerdings weiß ich nicht, ob die Geschichte des Telefonats tatsächlich so spannend ist. Du ahnst sicher, dass Gabriel nicht abgelehnt hat, mir zu helfen.«
»Das ahne ich nicht nur, darauf hätte ich den Inhalt meines Kleiderschranks verwettet.«
Kurz darauf stellte Ellen die Tasse neben ihr ab und setzte sich dann wieder. Lilly pustete in den Milchschaum und probierte zaghaft.
»Na, was sagst du? Kann er sich mit dem von Terence messen oder nicht?«
»Sicher.« Lilly nahm noch einen weiteren Schluck, dann setzte sie die Tasse ab. »Also, Gabriel will mir nachher die Konzertdaten mailen. Und dann … hatte ich noch einen Traum.«
»Einen unanständigen von Gabriel?« Ellens Augen leuchteten schelmisch.
»Nein, das nicht … Ich habe von Helen geträumt. Einer sehr kleinen Helen. Sie sagte mir, dass die Lösung des Rätsels im ›Mondscheingarten‹ liegen würde. Erinnerst du dich, was Dean gesagt hat? Die Sache mit dem Code?«
»Meinst du wirklich, in der Melodie ist einer verborgen?«
»Wäre das denn möglich? Ich habe die Sache mit den Noten nie verstanden, aber du kannst immerhin spielen.«
»Das schon, aber der MI6 ist bei mir noch nicht angekommen und hat mir einen Vertrag auf den Tisch geknallt. Ich würde einen Code nicht mal erkennen, wenn man mich mit der Nase drauf stößt.« Ellen überlegte einen Moment lang, dann setzte sie hinzu: »Außerdem war es nur ein Traum, Lilly. Wissen, das du in deinem Verstand verarbeitet hast.«
»Da hast du recht. Aber vielleicht ist es wirklich so. Vielleicht war der Komponist genial genug, um eine Botschaft in den Noten zu verstecken.«
Lilly zog das Notenblatt, das sie mitgenommen hatte, aus der Tasche und breitete es vor sich aus. Für sie sahen die Noten wie die Abdrücke kleiner Vogelfüße aus. Keine Botschaft, kein Code.
Ellen betrachtete die Noten sicher mit anderen Augen, doch nachdem sie eine Weile auf das Blatt geschaut hatte, schüttelte sie den Kopf. »Ein Musikstück. Ich sehe nur ein Musikstück, nichts weiter. Und ich bin mit einem Mann verheiratet, dessen großer Held James Bond ist.«
Bevor Lilly etwas darauf erwidern konnte, ging die Tür auf.
»Wie ich sehe, sind Sie beide wach und hübsch wie der frühe Morgen«, plapperte Enrico gut gelaunt drauflos, als er in die Küche rauschte und einen Korb auf dem Tisch abstellte, der mit zwei nach Bäckerei duftenden Papiertüten und einem großen Glas Gelee gefüllt war.
Lilly verkniff sich ein Augenrollen und konnte nicht anders, als zu Ellen zu blicken, doch sie reagierte nicht.
»He, meine Damen, was ist mit Ihnen?«, erkundigte sich Enrico, der offensichtlich eine Reaktion auf seine Worte erwartet hatte.
»Nichts, wir sind nur etwas nachdenklich«, antwortete Ellen, dann nahm sie noch einen Schluck Kaffee. »Lilly hatte einen verwirrenden Traum, und nun fragen wir uns, ob man in Notenblättern einen Code festhalten kann.« Ellen deutete auf das Notenblatt vor Lilly.
»Einen Code wofür?«
»Für etwas, das Rose oder vielleicht auch Helen der Nachwelt hinterlassen wollten«, antwortete Lilly und drehte den Zettel so herum, dass er die Komposition sehen konnte. »Ein Geheimnis vielleicht. Möglicherweise auch den Aufenthaltsort oder das Schicksal von Rose.«
Enrico grübelte einen Moment, dann zuckte er mit den Schultern. »Also ich würde es nicht ausschließen. In früheren Zeiten sollen die Leute sehr erfindungsreich gewesen sein, was Verschlüsselungen angeht. Allerdings bin ich nicht der Richtige, um diese Frage zu beantworten. Ich habe aber einen Freund, einen Historiker, der sich mit Spionage im Mittelalter beschäftigt. Rose ist natürlich wesentlich jünger und hat nichts mit den Borgias zu tun, aber vielleicht hat er eine Antwort auf eure Frage.«
Ellen lächelte Lilly breit zu. »Allmählich stehen wir so tief in deiner Schuld, dass wir im Leben nicht mehr rauskommen.«
»Das müsst ihr auch nicht«, entgegnete Enrico diesmal vollkommen ernsthaft und ohne eine Spur von Anzüglichkeit. »Wenn sich in dem Notenblatt da wirklich ein Code verbirgt, ist es eine Sensation! Ihr beide solltet jetzt gut frühstücken, denn das Archiv wartet. Und ich werde versuchen, meinen Freund zu
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