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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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sie energisch. Das resultierende Klappern kam mir in der kühlen, feuchten Luft sehr laut vor. In dem großen, schwarzen, blinden Auge des Anthropophagen konnte ich die Bewegung seiner Hände sehen.
    Er warf die Knochen hoch. Sie wirbelten in der Luft durcheinander und fielen dann auf die Erde zurück, wo sie sich planlos auf dem Zement verteilten. Malachi beugte sich darüber und sah sich gespannt das Ergebnis an.
    »Alle mit dem Gesicht nach oben«, murmelte er. »Sechs Totenschädel. Was bedeutet das, Will Henry?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich. »Der Doktor hat es mir nicht gesagt.«
    Derart, Possenreißer, der ich war, log ich.
    Mit viel Geduld und gutem Zureden war es mir gelungen, ihn in die Küche zu bringen, damit er etwas essen konnte. Ich setzte gerade das Wasser auf, als die Hintertür aufsprang und der Doktor in den Raum stürzte; ein Ausdruck tiefer Sorge entstellte seine hageren Züge.
    »Wo steckt er?«, schrie er.
    In diesem Moment betrat Kearns vom Flur aus die Küche; sein Antlitz war so gelassen, wie das des Doktors beunruhigt war, seine Kleider und Haare so adrett wie die des Doktors durcheinander.
    »Wo steckt wer?«, fragte er.
    »Kearns! Wo zum Teufel waren Sie?«
    »Ich durchstreifte die Erde und wanderte auf ihr umher. Wieso?«
    »Wir haben schon seit über einer halben Stunde aufgeladen! Sie warten auf uns!«
    »Wie viel Uhr ist es?« In aller Seelenruhe zog Kearns seine Taschenuhr aus der Westentasche und öffnete sie.
    »Halb elf!«
    »Wirklich? Schon so spät?« Er hielt die Uhr ans Ohr und schüttelte sie.
    »Wir werden nicht fertig, wenn wir jetzt nicht aufbrechen.«
    »Aber ich habe noch nichts gegessen.« Er warf einen Blick auf mich und bemerkte dann Malachi am Tisch, der ihn mit halb offenem Mund beäugte.
    »Nanu, heda! Du musst der arme Stinnet-Junge sein. Mein aufrichtiges Beileid für deinen tragischen Verlust. Das ist nicht der übliche Weg, auf dem wir vor unseren Schöpfer treten, aber welchen Weg wir auch beschreiten, wir kommen immer dort an! Denke daran, wenn du das nächste Mal Lust verspürst, Warthrop eine Kugel in den Kopf zu jagen. Ich versuche es auch.«
    »Wir haben keine Zeit für Frühstück«, beharrte Warthrop, dessen Gesicht puterrot anlief.
    »Keine Zeit für Frühstück! Ich gehe niemals mit leeremMagen auf die Jagd, Pellinore. Was machst du da drüben, Will? Eier? Für mich zwei, pochiert, mit etwas Toast und Kaffee, stark allerdings – so stark, wie du ihn machen kannst!«
    Er ließ sich auf dem Stuhl gegenüber von Malachi nieder und gewährte Warthrop einen flüchtigen Anblick seines blendenden Gebisses. »Sie sollten auch etwas zu sich nehmen, Pellinore. Gibst du dem Mann denn nie etwas zu essen, Will Henry?«
    »Ich versuche es, Sir.«
    »Vielleicht hat er einen Darmparasiten. Es würde mich nicht überraschen.«
    »Ich bin draußen«, sagte der Doktor knapp. »Kümmere dich nicht um den Abwasch, Will Henry. Der Wachtmeister und seine Männer warten auf uns.«
    Er stapfte hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Kearns zwinkerte mir zu.
    »Angespannt«, bemerkte er. Er richtete seine grauen Augen auf Malachi. »Wie knapp war es?«
    »Knapp?«, echote Malachi. Er wirkte ein bisschen überwältigt von der natürlichen Kraft der Persönlichkeit des Jägers.
    »Ja. Wie knapp warst du davor, abzudrücken und ihm den Schädel wegzupusten?«
    Malachi senkte die Augen und starrte auf seinen Teller. »Ich weiß es nicht.«
    »Nein? Dann will ich es mal so für dich formulieren: In diesem kristallinen Moment, als du ihm die Mündung aufs Gesicht gedrückt hast, als die Kugel ein Fingerzucken von dir davon entfernt war, ihm den Kopf wegzusprengen, was hast du da empfunden?«
    »Angst«, antwortete Malachi.
    »Tatsächlich? Hmmm. Vermutlich, aber war da nicht auch ein gewisses … ach, wie soll ich es ausdrücken? Ein gewisser Nervenkitzel ?«
    Malachi schüttelte den Kopf, erschüttert, aber auch, glaube ich, verwirrt und sonderbar respektvoll.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Oh, du musst! Dieser euphorische Moment, wenn du ihr Leben hier hältst.« Er hielt die Hand hoch, die Fläche uns zugewandt. »Und jetzt bestimmst du über ihr Schicksal, nicht irgendein unbeschreibliches, unsichtbares Märchenwesen. Nein? Nun ja, ich nehme an, es hängt alles vom Vorsatz ab. Der Wille muss da sein. Du hast nicht wirklich vorgehabt, ihm eine Kugel durch den Kopf zu jagen.«
    »Ich dachte, ich wollte es. Aber dann …« Malachi sah weg, unfähig, den

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