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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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im Riffschatten, und ich die grasende Gazelle, die junge Robbe, die in der Brandung tollt. Sie würde sich erheben, während ich hinabstieg. Sie würde durch die offene Stiege greifen und mich mit ihren riesigen Pranken am Knöchel packen. Einmal in ihrem unerbittlichen Griff, wäre ich dem Untergang geweiht, dem Untergang geweiht so wie Erasmus Gray dem Untergang geweiht war von dem Moment an, als die Bestie in Eliza Buntons Gruft sich aus dem Loch erhoben hatte, in dem die Verstorbene geschwängert worden war. Würde der Monstrumologe, wenn er meine Schreie hörte, mitseinem Revolver angerannt kommen und das nur ein oder zwei Stunden zuvor gegebene Versprechen erfüllen? Würde er, während das Ding die altersschwache Treppe auseinandernahm, um mich im Ganzen in sein klaffendes Maul zu stopfen, Erbarmen mit mir haben und mir eine Kugel ins Hirn jagen?
    Auf halbem Weg nach unten konnte ich mich zu keinem weiteren Schritt mehr zwingen. Mir war schwindlig vom Luftanhalten, mein Herz hämmerte und ich zitterte von den Zehen bis zum Scheitel meines entblößten Hauptes. ( Wo ist mein Hut hin? , fragte ich mich mit einem Flattern von Panik. Hab ich ihn am Grab verloren? ) Ich blieb wie angewurzelt auf der Treppe stehen, und mein lächerlich langer Schatten kroch nach unten auf die Mauer aus Dunkelheit zu. Langsam atmete ich aus, und die Luft war kalt genug, um meinen Atem Gestalt annehmen und um meinen Kopf wirbeln zu lassen. Ich schluckte ein bisschen der stinkenden Luft – genug, hoffte ich, um mich für den Rest der Reise zu versorgen. Geschwind jetzt, Will Henry! , schalt ich mich selbst. Der Doktor wartet! Mit leeren Händen zu ihm zurückzukehren war undenkbar.
    Indem ich meine Furcht zur Seite schob, jenen Gegner, der allen Kämpfern gemein ist, und mir ins Gedächtnis rief, dass ich mit eigenen Augen Zeuge der teilweisen Zerstückelung der Kreatur gewesen war – und auf diese Weise die Tatsache ihrer Leblosigkeit außer Zweifel stellen konnte –, hastete ich die restlichen Stufen hinunter. Ich fand den Schrankkoffer unter der Treppe, an die Wand geschoben und von einer feinen Staubpatina überzogen, als sei er schon jahrelang nicht mehr geöffnet oder bewegt worden. Er gab ein lautes protestierendes Kreischen von sich, als ich ihn über den Steinboden aus seinem gemütlichen Winkel schleifte, wie ein Geschöpf, das unsanft aus einem langen Winterschläfchen geweckt worden ist. Ich hob den Schrankkoffer an seinen abgenutzten Ledergriffen ein paar Zoll vom Boden hoch: schwer, aber nicht so schwer, dass ich ihn nicht die Treppe hochziehen konnte. Ich stellte ihn wieder ab und zerrte ihn an die unterste Stufe, wobei ich denBlick nach vorn gerichtet hielt, aber trotzdem konnte ich aus dem Winkel meines linken Auges heraus einen Schatten, schwärzer als die Düsterkeit, die alten Kellergeschossen eigen ist, ausmachen. Der Anthropophage. Als ich den Koffer für die lange Reise nach oben anhob, sprach die Stimme meines Feindes; Furcht raunte mir ins Ohr und betete die Worte Warthrops nach: Das befruchtete Ei wird in den Mund des Männchens ausgestoßen, wo es in einer Hauttasche ruht, die sich entlang des Unterkiefers befindet. Dem Männchen bleiben zwei Monate, um einen Wirt für den Nachkommen zu finden, ehe der Fötus aus seinem schützenden Beutel bricht und es ihn hinunterschluckt oder daran erstickt.
    Was, wenn er ihn bei der Nekropsie übersehen hatte? Was, wenn ein anderes Monsterjunges unentdeckt im Maul des riesigen Männchens geruht, sich in der Folge mit Zähnen und Krallen aus seinem fleischigen Kokon befreit hatte und in diesem Moment über den Boden auf mich zuhuschte? Diese Geschöpfe sind vollendete Kletterer , hatte der Doktor auf dem Friedhofsweg gesagt. Was, wenn es, mit seinen widerhakenbewehrten Tatzen jetzt über mir an der Decke hing und sich, innerhalb meines nächsten Atemzuges, auf meinen Kopf fallen ließ, mit seinen bleichen, dünnen Armen hinunterlangte und mir die Augen herausriss? Ich sah mich durchs Laboratorium taumeln, wie mir das Blut aus den leeren Augenhöhlen schoss, während eine Kreatur, nicht größer als meine Faust, an meinem Gesicht herunterkrabbelte und meine Entsetzensschreie zum Verstummen brachte, indem sie mir mit ihren winzigen Zähnen und Krallen die Zunge zerfetzte. Es war eine absurde Vorstellung, geboren aus der Panik, aber keine Panik ist absurd in ihrem ureigenen Moment. Panik besitzt eine eigene logische Unbestechlichkeit. Sie trieb mich die Treppe hoch,

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